GPK kritisiert Inhaftierung von Kindern und kantonale Unterschiede

28.06.2018, 15:20 Uhr
· Online seit 28.06.2018, 13:02 Uhr
Abgewiesene Asylsuchende werden in manchen Kantonen mit grosser Wahrscheinlichkeit inhaftiert, in anderen nicht. Auch Kinder kommen ins Gefängnis. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) kritisiert diese Zustände.
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GPK-Präsident Alfred Heer (SVP/ZH) erinnerte am Donnerstag vor den Medien an die Diskussion über Migrantenkinder in US-Gefängnissen. Die GPK geht davon aus, dass es auch in der Schweiz solche Fälle gibt. Das wäre ein klarer Verstoss gegen die Kinderrechtskonvention, sagte Heer.

Das Ausländergesetz verbietet die Haft für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren ebenfalls. Trotzdem kommt es offenbar in einigen Kantonen dazu. Genaue Angaben fehlen allerdings, weil die Kantone diese Fälle nicht oder nicht einheitlich registrieren.

Die GPK fordert den Bundesrat auf, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und dafür zu sorgen, dass Minderjährige unter 15 Jahren nicht inhaftiert werden. Für den Vollzug der Wegweisung von Familien seien alternative Möglichkeiten zu prüfen. Für Minderjährige über 15 Jahren sollen geeignete Haftplätze geschaffen werden.

Die GPK stützt ihre Forderungen auf eine Untersuchung, die sie bei der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) in Auftrag gab. Diese kam zum Schluss, dass vor allem der Kanton Bern Kinder zusammen mit ihren Eltern inhaftiert.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) stellte allerdings systematische Fehlerfassungen durch die Kantone fest. Die Zahlen sind deshalb nicht aussagekräftig. Laut Heer erfassen manche Kantone die Inhaftierung einer Familie ohne Angaben zu den Mitgliedern. Damit ist unklar, ob Kinder unter 15 Jahren dabei sind. Die GPK fordert den Bundesrat auf, rasch Klarheit zu schaffen.

Ferner kritisiert die GPK die grossen kantonalen Unterschiede bei der Administrativhaft. Der Bundesrat solle auf eine Harmonisierung hinwirken, fordert sie. Im Durchschnitt wird schweizweit ungefähr jede fünfte Person mit einem negativen Asylentscheid inhaftiert. Im Kanton Genf liegt die Haftquote bei 11 Prozent, im Kanton Obwalden bei 46 Prozent.

Die Unterschiede sind gemäss der PVK nur zu einem kleinen Teil mit Herkunft, Alter oder Geschlecht der Asylsuchenden zu erklären. Die GPK kommt zum Schluss, dass die Kantone das Prinzip der Verhältnismässigkeit sehr unterschiedlich anwenden - und wirft die Frage auf, ob das rechtmässig ist. Die Asylsuchenden hätten keinen Einfluss darauf, welchem Kanton sie zugeteilt würden, gibt die GPK zu bedenken. Die Zuteilung habe aber erhebliche Konsequenzen für sie. Das dürfe nicht sein.

Weiter wünscht die GPK, dass untergetauchte Personen künftig als solche erfasst werden. Sie erachtet den Begriff der «unkontrollierten Abreise» als irreführend, weil diese Kategorie auch Personen erfasst, die nicht abgereist sind.

Die PVK hat über 61'000 negative Asylentscheide untersucht. 47 Prozent der Betroffenen reisten kontrolliert aus der Schweiz aus, 25 Prozent unkontrolliert. Bei 8 Prozent wurde der Aufenthalt legalisiert. Bei den restlichen 20 Prozent blieb der Ausreisestatus offen. Faktisch tauchte gemäss der PVK etwa ein Drittel der abgewiesenen Asylsuchenden ab.

Eine weitere Empfehlung betrifft die Datenverwaltung beim Wegweisungsvollzug. Diese weise teilweise gravierende Mängel auf, schreibt die GPK. Die verschiedenen Systeme seien ungenügend miteinander gekoppelt. Damit das SEM die Aufsicht über die Administrativhaft gemäss Gesetz wahrnehmen könne, müssten verlässliche Daten zur Verfügung stehen.

Die GPK kommt indes in ihrem Bericht auch zum Schluss, dass die Administrativhaft ein wirksames Instrument darstellt, um Wegweisungsentscheide zu vollziehen. Gemäss der Untersuchung der PVK vollzieht die Schweiz mehr Wegweisungen als andere Staaten.

Zur Administrativhaft gehören die Vorbereitungs-, die Ausschaffungs- und die Durchsetzungshaft. Inhaftiert werden dürfen abgewiesene Asylsuchende nur dann, wenn die Wegweisung tatsächlich möglich ist und innert absehbarer Frist vollzogen werden kann - wenn die Person also in den zuständigen Dublin-Staat oder ins Herkunftsland zurückgeschickt werden kann.

Aus diesem Grund werden Personen, die in einen Dublin-Staat zurückgeschickt werden können, viel häufiger inhaftiert als jene, die in ihren Herkunftsstaat ausreisen sollen. Bei den Dublin-Fällen liegt die Haftquote bei 39 Prozent. Die Inhaftierten reisen in 99 Prozent der Fälle aus. Von den Nicht-Inhaftierten reisen nur 28 Prozent aus.

Von jenen Personen, die in den Herkunftsstaat zurückgeführt werden, werden 7 Prozent inhaftiert, und zwei von drei reisen nach der Haft aus. Die Verwaltungskontrolle weist darauf hin, dass es vor allem auf die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten ankomme. Die Chancen für eine kontrollierte Ausreise seien viel höher, wenn mit einem Staat eine Migrationspartnerschaft bestehe.

Nun ist der Bundesrat am Zug. Er hat bis zum 28. September Zeit, zu den Empfehlungen Stellung zu nehmen.

veröffentlicht: 28. Juni 2018 13:02
aktualisiert: 28. Juni 2018 15:20
Quelle: SDA

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