Der Bundesrat hat das Treffen vom Donnerstag mit grossen Erwartungen aufgeladen. Für ihn ist es Zeit für Erfolgsmeldungen. In den drei Jahren seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hatte er sich um Schadensbegrenzung bemüht. Als die Umsetzung des Zuwanderungsartikels Ende 2016 endlich aufgegleist war, liess die Normalisierung der Beziehungen weiter auf sich warten.
Bundespräsidentin Doris Leuthard musste im letzten April nach Brüssel reisen, um Schwung in die Beziehung zu bringen. Danach wurde zwar wieder verhandelt. Doch das wichtigste Dossier, das Rahmenabkommen über institutionelle Fragen, blieb verfahren. Im Juni kündigte Aussenminister Didier Burkhalter, der dieses Abkommen immer verteidigt hatte, seinen Rücktritt an.
Der Bundesrat beschloss daraufhin, in der Europapolitik keine Weichen zu stellen, bis Burkhalters Nachfolger im Amt wäre. Er wollte die Zeit nutzen, in den verschiedenen offenen Dossiers weiter zu verhandeln. Im Lichte des Erreichten sollte die Europapolitik dann neu justiert werden.
In den letzten Monaten hat der Bundesrat einiges erreicht: Die Emissionshandelssysteme können verknüpft werden, das für die Wirtschaft wichtige Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen wird aktualisiert. Die EU-Kommission will auch die Regulierung der Börsen als gleichwertig anerkennen und mit der Schweiz Verhandlungen über deren Beitritt zur Europäischen Eisenbahnagentur aufnehmen.
Die EU ihrerseits erwartet von der Schweiz einen neuen Milliarden-Beitrag zur Entwicklung der neuen EU-Mitgliedstaaten im Osten. Die Rechtsgrundlage dafür hat das Parlament schon letztes Jahr geschaffen. Den Kredit für einen konkreten Beitrag legte der Bundesrat aber bisher noch nicht vor.
Vergangene Woche hat er zwar erneut darüber beraten. Entscheide will er aber erst bei Junckers Besuch bekannt geben. Damit verwirrte der Bundesrat nicht nur das Schweizer Publikum, auch Brüssel schien verunsichert. Zunächst bestätigte die Kommission zwar den Besuch Junckers in der Schweiz. Doch dieser benötigte dann offenbar noch zusätzliche Informationen.
Das Aussendepartement EDA bestätigte, dass Juncker und Bundespräsidentin Doris Leuthard am Montag zusammen telefoniert hätten. Informationen über den Inhalt des Gesprächs gab es aber nicht bekannt. Nun aber scheinen die Ampeln für den Besuch wieder auf Grün zu stehen.
Nach den offiziellen Gesprächen zwischen Juncker und Leuthard, die am Donnerstag um 9.30 Uhr beginnen, ist eine Unterzeichnungszeremonie geplant. Möglicherweise wird dabei eine Vereinbarung unterschreiben, mit der die Schweiz einen neuen Beitrag in Aussicht stellt.
So jedenfalls waren die Schweiz und die EU 2006 im Zusammenhang der ersten Kohäsionsmilliarde vorgegangen. In der Vereinbarung wurden damals auch die Grundzüge für die Verwendung der Gelder festgelegt. Dieses Mal sollen Projekte in den Bereichen «Berufsbildung» und «Migration» Priorität haben.
Für einen Durchbruch bei den institutionellen Fragen hingegen gibt es keine Anzeichen. Die Verhandlungen laufen seit Mai 2014. Umstritten ist vor allem, wie Konflikte beigelegt werden sollen. Es ist nun am neuen Aussenminister Ignazio Cassis, die Verhandlungen aus der Sackgasse zu führen.