Psychische Gesundheit

«Ist eine vorbei, kommt schon die nächste» – überlappende Krisen belasten Jugendliche

28.02.2023, 06:57 Uhr
· Online seit 28.02.2023, 05:52 Uhr
Psychische Probleme bei Jugendlichen stiegen während der Pandemie stark an. Ein Jahr später haben sich die Zahlen jedoch noch nicht erholt. Im Gegenteil: Zukunftsängste, Einsamkeit und Suizidgedanken beschäftigen die Jugend mehr denn je.
Yasmin Stamm
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Die psychischen Probleme bei Jugendlichen häufen sich. Vor allem während der Pandemie war es auffallend, als sich die Zahl der psychisch belasteten Jugendlichen sogar verdoppelte. Hilfe holen sich dabei aber die Wenigsten. Es fällt ihnen schwer, ihre Probleme einzugestehen und darüber zu reden oder sie wissen einfach nicht, wo sie die nötige Hilfe bekommen.

Dies wegen der Stigmatisierung von psychischen Problemen. Oft werden sie noch immer als Tabu-Thema angesehen und Betroffene haben Angst vor Zurückweisung, wenn sie von ihren Problemen sprechen oder haben das Gefühl, dass andere Personen bestimmt wichtigere und schlimmere Probleme haben als sie selbst.

Um Jugendlichen den Zugang zu Hilfe zu erleichtern, hat das St.Galler Amt für Gesundheitsvorsorge eine neue Website lanciert: «Sorgenwolken». Sie bietet eine Übersicht über verschiedene Angebote und Anlaufstellen für Jugendliche mit psychischen Problemen. Denn obwohl die Corona-Massnahmen nun schon seit einem Jahr nicht mehr gelten, hat sich die Situation nicht gebessert.

«Sobald eine Krise vorbei ist, kommt schon die nächste»

«Die psychische Belastung bei Jugendlichen ist nach wie vor stark erhöht», sagt Lulzana Musliu, Mediensprecherin von Pro Juventute. Die Zahlen hätten sich kaum verändert. Noch immer sind die Teenager stark überlastet und psychisch angeschlagen.

Ein Grund dafür sei, dass man kaum Zeit habe, sich von einer Krise zu erholen. «Momentan überlappen sich verschiedene Krisen. Und sobald eine vorbei ist, kommt schon die nächste», so Musliu. Dieses Phänomen heisst Multikrise.

Ein Beispiel dafür sei der Beginn des Ukraine-Krieges, wenige Tage nach dem die Covid-Massnahmen in der Schweiz aufgehoben wurden. «Direkt wurde man mit neuen Ängsten und Sorgen konfrontiert. Es blieb so überhaupt keine Zeit, die vorherigen Geschehnisse zu verarbeiten», so Musliu.

Dies bestätigt auch Joseph Oggier, Fachmann für psychische Gesundheit bei Zepra, dem St.Galler Dienstleistungsbetrieb für Prävention und Gesundheitsförderung. Obendrauf kommt: «Eine psychische Belastung ist nicht etwas, das heute kommt und dann morgen einfach wieder verschwindet. Es ist ein langer Prozess.»

Zukunftsängste werden getriggert

Die Probleme und Gründe für die psychischen Belastungen sind unterschiedlich. «Durch die Multikrisen werden vor allem Zukunftsängste getriggert», sagen Musliu wie auch Oggier.

Doch oft seien auch viel persönlichere Dinge Grund für die Belastungen. Claudia Schnetzler, Fachberaterin, Ausbildungs- und Qualitätsbeauftragte bei «Tel 143 - Die Dargebotene Hand Ostschweiz/FL» konkretisiert: «Bei den Personen bis 18 Jahren, welche bei uns Hilfe suchen, ist oft ein grosses Problem, dass sie sich unverstanden fühlen.» Sie hätten Schwierigkeiten, sich Freunden oder Familie mitzuteilen.

Diese Belastung wiederum hat Auswirkungen auf Ausbildung und Berufsleben der Personen, wo sich ihre Leistungen verschlechtern, was sich dann auch wieder auf die Psyche auswirkt. «In dieser Zeit brauchen Jugendliche gute Unterstützung», so Schnetzler.

Ein weiteres, häufig genanntes Problem sei der Wunsch nach einem Partner oder einer Partnerin und nach einer Person auf Augenhöhe. Auch gebe es viele Personen mit Schwierigkeiten bei der Alltagsbewältigung. Junge Personen hätten Probleme beim Umgang mit Gefühlen und Gedanken, oft auch Suizidgedanken.

Frauen und Mädchen sind meist stärker von psychischen Problemen betroffen. Dies zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS). Zwischen 2018/2019 und 2021 stieg die Zahl der betroffenen jungen Frauen, welche hospitalisiert wurden, um mehr als 25 Prozent. Bei den Männern stieg die Hospitalisierungsrate lediglich um sieben Prozent.

Jedoch steigen die Zahlen der psychischen Belastungen bei Jugendlichen schon länger. Ein Grund dafür seien die Sozialen Medien. «Social Media ist ein fester Bestandteil des Alltags von Jugendlichen. Sie schauen Videos und sehen Bilder von Katastrophen zum Teil live», so Musliu. Auch wenn sie uns nicht persönlich betreffen sind Krisen dadurch omnipräsent bei den Jugendlichen und konfrontieren sie so immer und immer wieder.

veröffentlicht: 28. Februar 2023 05:52
aktualisiert: 28. Februar 2023 06:57
Quelle: FM1Today

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