Coronavirus

Ja, das Coronavirus ist schlimm – nein, es gibt keine Apokalypse

· Online seit 10.03.2020, 09:45 Uhr
Bund und Medien werden im Zusammenhang mit dem Coronavirus häufig kritisiert. Dabei ist die Situation nicht einfach – für alle Akteure. Hier gibt es eine kleine Einordnung der aktuellen Lage.
Anzeige

Gleich vorweg: Es gibt nicht «die Medien». Es gibt einige Medien, deren Geschäftsmodell es ist, mit reisserischen Schlagzeilen Auflage zu machen. Und es gibt einige Medien, die mit Hintergrundberichten zu ihren Leserinnen und Lesern kommen. Dazwischen gibt es noch ganz viele andere. Die Medien sind so vielfältig wie die Leser. Aus diesem Grund kann man bei jeder Aussage, die mit «Die Medien...» beginnt, gleich weghören.

Doch beim Coronavirus sind sich zumindest die meisten Medien einig: Die Lage ist ernst. Doch stimmt das auch? Naja, ein bisschen. Wir werden keine Apokalypse erleben, die Hamsterkäufe sind völlig sinnlos. Das Desinfektionsmittel und die Gesichtsmasken kann man getrost wieder jenen Leuten geben, die darauf angewiesen sind. Trotzdem sollte man das Coronavirus nicht unterschätzen.

Neue Gefahr? Mehr Panik!

Psychologisch gesehen ist die Angst vor dem Virus oder die Abneigung gegen die Berichterstattung dazu verständlich. Das Coronavirus ist eine neue Bedrohung. Evolutionsbedingt reagieren wir auf eine solche emotionaler als auf uns bekannte Gefahren. Schliesslich ist eine Überreaktion sicherer als zu wenig vorbereitet zu sein. Dabei müssten wir uns viel mehr vor schlechter Luft und Fast Food fürchten, da sterben doch ein paar Leute mehr daran.

Experten gehen bei der Todesrate laut neusten Berechnungen von einer Zahl zwischen 1,1 bis 1,6 Prozent aus. Als Beispiel: Bei einem vollen Kybunpark mit 19'000 Infizierten gäbe es zwischen 200 bis 300 Tote. Zum Vergleich: Bei einer «normalen» Grippe würde es 4 bis 40 Tote geben. Nur dass das Coronavirus um einiges ansteckender ist – zumindest geht man heute davon aus.

Kleinere oder höhere Todesrate?

Das Problem ist, dass wir zur aktuellen Variante des Coronavirus noch viel zu wenig wissen. Die exakte Todesrate können wir kaum kennen, weil schlicht zu wenig Menschen getestet werden. Es könnten infizierte Leute sterben, ohne dass wir wissen, dass sie das Virus hatten, dann wäre die Rate höher. Es könnten aber auch Leute eine Infektion schlicht nicht merken, sie werden nie getestet, da sie sich gesund fühlen – die Todesrate wäre damit kleiner.

Spitäler könnten an Kapazitätsgrenze stossen

Egal wie hoch die Todesrate ist, die meisten Menschen werden nicht daran sterben. Viel wahrscheinlicher ist der Tod zum Beispiel durch eine Gefässerkrankung. Trotzdem übertreibt der Bund nicht, wenn er so oft informiert. Das Problem sind nicht die Todesfälle, das Problem ist die hohe Infektionsrate. Werden zu viele Menschen zeitgleich infiziert, werden Spitäler überrannt, es fehlt an Ärzten, Pflegepersonal und Platz für die «normalen» Fälle.

Ausserdem sind gerade in Kliniken häufig jene Personen, die bereits ein geschwächtes Immunsystem haben. Durch die Kampagne des Bundes können wir die Verteilung der Infektionen über einen längeren Zeitraum dehnen. Im dümmsten Fall trifft es nicht weniger Leute, aber nicht mehr alle zur gleichen Zeit, die Ausbreitung der Krankheit wird gebremst.

Die Rücksicht steigt mit den Ermahnungen

Das ist doch schon mal keine schlechte Nachricht! Doch es kommt noch besser. Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Eine kranke Person will arbeiten gehen. Sagt man ihr, dass sie damit möglicherweise weitere Leute anstecken könnte, geht sie trotzdem zur Arbeit. Sagt man ihr jedoch, dass sie ziemlich sicher jemand anders anstecken wird, bleibt sie zu Hause. Je intensiver man darauf hinweist, dass man anderen Personen mit dem eigenen Verhalten schadet, desto eher sind die Menschen bereit, darauf Rücksicht zu nehmen. Dieser Effekt wurde bereits in mehreren Studien bestätigt.

So bringt uns das Coronavirus immerhin dazu, mehr Rücksicht auf andere zu nehmen. Sollte sich die Corona-Situation je beruhigen und man hat das Gefühl, dass es doch gar nicht so schlimm war, hat der Bund seine Arbeit richtig gemacht.

veröffentlicht: 10. März 2020 09:45
aktualisiert: 10. März 2020 09:45
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige