Schweiz

Kein Verständnis für 1-Franken-Erdbeeri

Kein Verständnis für 1-Franken-Erdbeeri

03.04.2018, 13:35 Uhr
· Online seit 03.04.2018, 12:45 Uhr
In der Migros gibt es derzeit ein halbes Kilogramm spanische Erdbeeren für einen Franken zu kaufen. Schweizer Beerenhändler könnten Erdbeeren zu diesen Preisen niemals anbieten.
Lara Abderhalden
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«Wieder einmal enttäuschend liebe Migros», kommentiert Rebecca Krebs die neuste Migros-Aktion «Vitamine für 1 Franken» auf Facebook. «Es ist eines, dass Erdbeeren ausserhalb der Saison verkauft werden. Aber warum wird der Konsument mit so unsinnigen Aktionen angeregt, die Erdbeeren zu kaufen?»

Wiedermal enttäuschend liebe Migros... Nachhaltigkeit wo? Es ist eines das Erdbeeren ausserhalb der Saison verkauft...

Gepostet von Rebecca Krebs am Sonntag, 1. April 2018

Schweizer Beerenproduzenten können nicht mithalten

Für Ostschweizer Beerenproduzenten ist vor allem der Preis für das halbe Kilo Erdbeeren schwierig nachvollziehbar: «Ich weiss nicht, wie die das machen. Wenn man die ganzen Lohnkosten, die Strukturkosten und die Transportkosten abzieht, bleibt nicht mehr viel Geld übrig. Es ist sehr fragwürdig, wie die Produktion abgedeckt wird», sagt Rico Kuster, Präsident der St.Galler Beerenpflanzer.

In der Schweiz wären derartige Preise nicht denkbar: «Das ist unmöglich. Wir könnten niemals ein halbes Kilogramm für einen Franken produzieren. Es ist einfach schade, weil überall die Preise gedrückt werden und die Natur und die Leute, die arbeiten, darunter leiden.» Der Präsident der Thurgauer Beerenproduzenten, Philipp Engel, sagt: «Wenn die Migros das mit ihrem Gewissen vereinbaren kann, soll sie es tun». Lieber die Migros mache die Aktion jetzt, wo es noch keine Schweizer Erdbeeren auf dem Markt gebe, statt dass sie die einheimischen Erdbeeren mit billigen ausländischen konkurriert.

Spanische Erdbeeren sind schnell in der Schweiz

Ein grundlegender Vorteil, den die Schweizer Beerenpflanzer bisher gegenüber ausländischen Produzenten hatten, waren die kurzen Transportwege. «Je länger der Transportweg, desto mehr Aromen gehen verloren», sagt Rico Kuster. Mittlerweile würden die Lieferungen, beispielsweise aus Spanien, aber innerhalb eines halben Tages in der Schweiz sein: «Dadurch gehen gar nicht mehr so viele Aromen verloren.» Dieser Vorteil schwinde also immer mehr.

Hinzu komme die Tatsache, dass die Beeren mittlerweile das ganze Jahr über verfügbar seien und die Menschen deshalb das Bewusstsein über die Früchte-Saison verlieren. «Es ist zunehmend ein Problem. Bisher wussten die Menschen immerhin noch, wann Erdbeeren und wann Spargeln Saison sind. Mittlerweile haben die Leute teilweise gar keine Lust mehr auf Erdbeeren, bis sie von uns angeboten werden.»

Migros erklärt Preis mit der Menge der Bestellung

Doch genau das ist eigentlich das Ziel der Migros: Die Leute auf die Schweizer Früchte «gluschtig» zu machen. «Wir dachten, wir wollen nach Ostern unseren Kunden ein besonderes Angebot machen, indem wir den Eisbergsalat, die Cherry Tomaten und die Erdbeeren für einen Franken verkaufen», sagt Martina Bosshard, Mediensprecherin der Migros. Dabei gehe es um die Gesundheitsförderung und dass sich die Menschen auf den Frühling und auf die Schweizer Früchte einstimmen können.

«Auch frische Produkte können günstig sein», sagt Martina Bosshard. «Natürlich können wir solche Aktionen nicht jede Woche machen. Es ist eine spezielle Aktion für eine Woche», beantwortet Martina Bosshard die Frage der Nachhaltigkeit solcher Aktionen. «Wir können die Produkte so günstig anbieten, weil wir eine grosse Menge davon anbieten und das entsprechend mit den Lieferanten geregelt haben.» Es sei eine limitierte Aktion und man gehe davon aus, dass die Produkte sehr schnell gekauft werden. «Über die Menge konnten wir für ein limitiertes Angebot einen guten Preis machen.» Auch bei Coop sind spanische Erdbeeren im Moment Aktion.

«Schweizer legen Wert auf Regionalität»

Rico Kuster von den St.Galler Beerenpflanzern hat keine Freude, wie sich das Geschäft mit ausländischen Beeren entwickelt. Aber er glaubt, dass die Leute nie ganz aufhören werden Schweizer Beeren zu essen: «Sie waren schon in den vergangenen Jahren teurer als Beeren aus dem Ausland und trotzdem werden sie verkauft. Das zeigt doch, dass die Schweizer trotzdem noch einen Wert auf regionale Produkte legen.»

Auch der WWF hat gegenüber Gemüse und Früchten aus dem Ausland Bedenken. Werden Produkte eingeflogen, für die Triebhäusern geheizt oder zu viel Wasser für das Anpflanzen verbraucht werden, habe dies einen negativen Effekt auf die Umwelt. Im Fall der Erdbeeren aus Spanien sei vor allem das Wasser ein Problem. Durch die grosse Produktion von Erdbeeren fehle es teilweise an Wasser. «Wir vom WWF sind der Meinung, dass Coop und Migros noch nicht am Ende sind mit dem Wassermanagement. Sie müssen noch an diesem Thema arbeiten», sagt WWF-Mediensprecherin Corina Gyssler.

Dennoch könne der WWF zur Migros-Aktion keine abschliessende Stellungnahme abgeben. «Wurden die Erdbeeren bereits produziert und sind in Regalen oder Lagerhäusern, gehen sie natürlich kaputt, wenn sie nicht verkauft werden.» Und solange die Produkte gekauft würden, werden sie von den Anbietern angeboten.

(abl)

veröffentlicht: 3. April 2018 12:45
aktualisiert: 3. April 2018 13:35

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