Immer noch gratis

Linke gehen Früchte- und Gemüsesäckli an den Kragen

· Online seit 10.05.2023, 06:51 Uhr
Die Raschelsäcke in den Grossverteilern sind nicht mehr beliebt. Nationalrätinnen und -räte der Grünen und der SP knöpfen sich deshalb die Säckli der Gemüse- und Früchteabteilung vor. Neben einer Gebühr stehen auch Rabatte zur Debatte.
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Schlechte Gewohnheiten legen Konsumentinnen und Konsumenten spätestens ab, wenn sie diese im Portemonnaie spüren. Ein lebhaftes Beispiel dafür ist die 5-Rappen-Gebühr, die bei Migros und Coop seit 2015 bei den Raschelsäcken gilt.

Um über 88 Prozent ging 2022 der Verbrauch von Einwegplastiksäcken zurück, wie aktuelle Zahlen des Detailhandelsverbands Swiss Retail Federation zeigen. 2016 nutzten die Kundinnen und Kunden noch über 400 Millionen Säcke, während es 2022 nur noch rund 48 Millionen waren. Dass die Zahlen in nur sechs Jahren so drastisch gesenkt werden konnten, beweise, dass eine Abfallreduktion auch ohne Verbote möglich ist, sagt Dagmar Jenni, Geschäftsführerin der Swiss Retail Federation.

Kein Säckli, dafür Rabatt

Nach wie vor gratis sind die Plastiksäckchen in den Gemüse- und Früchteabteilungen. Diesen wollen Politikerinnen und Politiker nun an den Kragen. Die Reduktion, welche die Supermärkte beim Verbrauch der Raschelsäcke erreicht habe, sei positiv, genüge aber noch nicht, sagt Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden zur Today-Redaktion. «Auch bei den Plastiksäckchen für Gemüse und Früchte braucht es Anreize, damit die Konsumentinnen und Konsumenten auf umweltfreundliche Alternativen ausweichen.»

Imboden schlägt vor, dass die Grossverteiler Anreize schaffen, damit auf die dünnen, durchsichtigen Säckli verzichtet wird. Doch eine Gebühr sei nicht die einzige Alternative. Auch schweben ihr Umwelt-Rabatte in den Gemüse- und Früchteabteilungen nach dem Modell einiger Take-aways vor. «So bezahlen Kundinnen und Kunden zum Beispiel weniger für Produkte, wenn sie diese in ein selber mitgebrachtes Behältnis packen.»

Säckli sollen verschwinden

Die Berner Nationalrätin ist aber auch der Meinung, dass Zuckerbrot und Peitsche das Umweltproblem beim Konsum noch nicht lösen. «Gewisse Dinge sollte es in den Supermärkten schon gar nicht mehr geben.» Als Beispiel erwähnt Imboden in Styropor verpackte Kakis oder Gemüse, das bereits verpackt in den Regalen liegt. «Alle Verpackungen müssen möglichst wiederverwertbar sein», fordert Imboden. Dies sei auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft.

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In der Sondersession sprach sich der Nationalrat für eine gestärkte Kreislaufwirtschaft aus. Demnach soll nicht mehr Gebrauchtes respektive Brauchbares möglichst weitergegeben oder wiederverwertet werden.

Ihre Zuger Fraktionskollegin Manuela Weichelt würde bei den Säckli kurzen Prozess machen. «Wir wissen zur Genüge, wie schädlich Plastik für die Umwelt und die Landwirtschaft ist.» Die Grossverteiler sollten die Plastiksäckli für Früchte und Gemüse daher schon gar nicht mehr zur Verfügung stellen, fordert sie. In diesem Fall bestehe die Nachfrage ohnehin nur, weil das Angebot bestehe.

Warnung vor Gebühr

Auch Stimmen aus der SP-Fraktion sagen den Säckli den Kampf an. «Wenn Coop und Migros ihre Nachhaltigkeitsziele ernsthaft weiterverfolgen wollen, müssen sie auch bei den Plastiksäckchen für Früchte und Gemüse ein Konzept entwickeln», sagt der Basler SP-Nationalrat Eric Nussbaumer.

Seine Freiburger Fraktionskollegin Ursula Schneider Schüttel warnt jedoch vor falschen Anreizen. «Eine Gebühr auch für diese Säckli einzuführen, könnte Konsumentinnen und Konsumenten dazu verleiten, weniger Früchte und Gemüse zu konsumieren, was nicht gesund wäre», sagt sie. Sie plädiert deshalb dafür, die Säckchen gar nicht mehr zur Verfügung zu stellen oder durch mehrmals verwendbare Beutel zu ersetzen. «Eine weitere Alternative wäre, Kundinnen und Kunden, die eigene Gefässe mitbringen, mit Refill-Rabatten zu belohnen.»

«Braucht mehr Gas»

Bei bürgerlichen Politikerinnen und Politikern trifft der Kampf gegen die federleichten Säckli dagegen auf grossen Widerstand. Er packe Gemüse und Früchte beim Einkaufen regelmässig in die Säckchen, sagt SVP-Nationalrat Christian Imark. «Jeden Tag muss man schon an 100 Sachen denken, da soll man wenigstens beim Einkaufen spontan ein Plastiksäckli herausziehen können.» Diese Behältnisse auch noch mit einer Gebühr zu belegen, wäre nicht kundenfreundlich.

Imark sieht in den Bestrebungen zudem einen Teufelskreis. Plastik sei für die Kehrichtverbrennungsanlagen ein wichtiger Brennstoff. «Mangelt es an gut brennbaren Materialien, braucht es am Schluss einfach mehr Gas, was überhaupt nicht umweltfreundlicher ist.»

Ein Dorn im Auge sind dem Politiker die weggeworfenen Plastiksäcke. «Ob Plastiksäcke oder McDonald's-Verpackungen – wer Abfall aus dem Fenster wirft, ist ein Grüsel», empört er sich. Gegen ein solches Verhalten könne aber auch ein Plastiksack-Verbot nichts ausrichten. «Harte Littering-Bussen sind in diesem Fall das einzig effektive Mittel.» Im Rahmen einer gestärkten Kreislaufwirtschaft hat der Nationalrat in der Sondersession zudem auch Bussen für Littering beschlossen.

Positiver Effekt

Beim Umweltschutz sind die Grossverteiler auch in den Früchte- und Gemüseabteilungen nicht untätig geblieben. Bei Coop gibt es Mehrwegbeutel für Früchte und Gemüse zu kaufen. «Mit dem Multi-Bag bieten wir unserer Kundschaft eine nachhaltige Alternative zu den Plastiksäckli an», sagt Mediensprecherin Melanie Grüter.

Die Migros bietet der Kundschaft an, ihre losen Früchte und Gemüse in kostenpflichtige Veggie Bags zu packen.

Zumindest bei Coop wirkt sich das Angebot negativ auf die Nachfrage nach den dünnen Säckli aus. Bis heute hätten sie bereits über zwei Millionen Multi-Bags in Umlauf gebracht, sagt Coop-Mediensprecherin Melanie Grüter. «Seit der Einführung des Multi-Bags Ende 2017 verzeichnen wir einen Rückgang bei der Nachfrage nach Plastiksäckli für Früchte und Gemüse.» Ihrer Kundschaft böten sie aber weiterhin die Wahlfreiheit.

Offen für Anpassungen zeigt sich die Migros. Die Nachfrage nach den Plastiksäckchen in den Gemüse- und Früchteabteilungen bewege sich in den letzten Jahren auf einem vergleichbaren Niveau, sagt Mediensprecher Patrick Stöpper. Nachhaltigkeit sei ein Prozess, der nie abgeschlossen sei. «Auch die Migros überprüft ihr Engagement laufend und passt dieses an. Dazu gehören auch mögliche Gebühren von Plastik-Einwegartikeln.» Entscheidend sei auch die Kundenakzeptanz einer solchen Gebühr.

veröffentlicht: 10. Mai 2023 06:51
aktualisiert: 10. Mai 2023 06:51
Quelle: Today-Zentralredaktion

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