Die Schätzung des Bundesrats, dass künftig pro Jahr 500 bis 1000 Paare von den neuen Möglichkeiten Präimplantationsdiagnostik (PID) Gebrauch machen könnten, hält Felix Häberlin, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, für realistisch.
Auch Bruno Imthurn, Direktor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Unispital Zürich, schätzt, dass es pro Jahr maximal einige Hundert Paare sein werden. Einschränkende Wirkung hätten das Alter der Patienten, die Anzahl der gewonnenen Eizellen und die hohen Kosten, welche von den Paaren selbst getragen werden müssten.
Ob die Kosten für PID-Untersuchungen künftig von den Krankenkassen übernommen werden, hängt hingegen von künftigen politischen Forderungen ab. Margrit Kessler, frühere GLP-Nationalrätin aus St. Gallen und Präsidentin der Stiftung für Patientenschutz (SPO), spricht sich persönlich klar dafür aus.
Untersuchungen, die heute in der pränatalen Phase von den Kassen getragen werden, etwa Trisomie-Tests, sollten aus ihrer Sicht auch in der Präimplantationsphase bezahlt werden. Denn egal, ob der Test im Mutterleib durchgeführt werde oder im Reagenzglas stattfinde, untersucht werde «genau dasselbe», nämlich ein Krankheitswert, so Kessler.
Dieser Ansicht ist auch Nationalrätin Rebecca Ruiz (SP/VD), die beim Dachverband Schweizerischer Patientenstellen (DVSP) für die Westschweiz zuständig ist. Sie persönlich empfindet es als konsequent, für die Präimplantationsphase dieselben Untersuchungen zu bezahlen, die heute während der Schwangerschaft vergütet werden.
Zu den bezahlten Vorsorgeuntersuchungen gehören derzeit beispielsweise der nicht-invasive Pränatal-Test (NIPT) zur Abklärung des Risikos der Trisomien 21, 18 und 13. Auf genau dieselben Chromosomenstörungen können in vitro gezeugte Embryonen künftig im Rahmen der PID mithilfe von Aneuploidie-Screenings getestet werden.
Die Idee der Kassenpflicht stösst bei den Kassen selbst auf etwas weniger Begeisterung. Pius Zängerle, Direktor des Krankenversichererverbands curafutura, steht einer Rückerstattung der PID durch die Grundversorgung «skeptisch» gegenüber. Es handle sich dabei nicht um eine Krankheit, hält er auf Anfrage fest.
Zwar seien die Mitglieder des Verbands noch nicht zu diesem Thema befragt worden. Ob sich die Gesellschaft aus Solidarität an den Kosten beteiligen wolle, bleibe abzuwarten.
Der Krankenkassen-Dachverband santésuisse gibt sich zurückhaltend. Die Versicherer hätten nicht die gesetzliche Kompetenz zu entscheiden, welche Leistungen von den Krankenkassen zu übernehmen sind, heisst es beim Verband auf Anfrage. Das Eidg. Departement des Innern müsse entscheiden, welche Leistungen übernommen werden.
Auf Ärzteseite gibt man sich kritischer. Momentan sei keine Kassenpflichtigkeit vorgesehen, schreibt Imthurn vom Unispital Zürich auf Anfrage. Es wäre auch «nicht ehrlich, die Kassenpflicht jetzt anzustreben». Denn im Abstimmungskampf zum Fortpflanzungsmedizingesetzes sei wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Kosten von In-vitro-Fertilisationen (IVF) und PID vom Paar selber getragen werden müssten.
Allenfalls könne darüber nachgedacht werden, ob Paaren mit geringem Einkommen und Vermögen zumindest ein Teil der Kosten für IVF und PID durch die Grundversicherung erstattet werden sollte.
Eine gute Nachricht hat Imthurn dennoch: «Wir hoffen, dass die Kosten mit neuen Untersuchungsmethoden in den nächsten Jahren sinken.»
Davon geht auch Häberlin von der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin aus. Die Technik werde derzeit weiterentwickelt, die Methoden würden vereinfacht und verbessert. Die Behandlungen könnten in den kommenden Jahren deshalb günstiger und vermehrt angewandt werden, ist er überzeugt.
Laut Häberlin kosten normale In-vitro-Fertilisationen heute zwischen 4000 und 8000 Franken. Werde eine PID durchgeführt, kämen nochmals zwischen 4000 und 5000 Franken dazu - was etwa einer Verdoppelung der Ausgaben entspricht. Mit jedem weiteren Behandlungszyklus fallen weitere Kosten an.
Imthurn spricht von Kosten im Bereich von 5000 bis 10'000 Franken. Diese könnten sehr stark variieren, je nach dem, welche genetische Untersuchung durchgeführt werden müssen.