Schweiz

Nationalrat versenkt neues Gesetz für besseren Schutz von Whistleblowern

05.03.2020, 09:28 Uhr
· Online seit 05.03.2020, 09:27 Uhr
Nun ist es definitiv: Es gibt weiterhin keine Regeln für Meldungen von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz. Der Nationalrat hat das neue Whistleblower-Gesetz beerdigt. Für Transparency International Schweiz ist das ein Armutszeugnis.
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(rwa) Die Ratsmehrheit folgte am Donnerstag ihrer vorberatenden Kommission. Die Vorlage biete keinen wirklichen Schutz für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, erklärte Sibel Arslan (Grüne/BS) im Namen der Kommission. Zudem sei sie kompliziert und untauglich für KMU. Arslan kritisierte auch die Kaskadenregelung, wonach ein Whistleblower verpflichtet ist, zuerst seinen Arbeitgeber über Missstände zu informieren, bevor er sich an die Staatsanwaltschaft und die Medien wenden darf.

Der Entscheid fiel mit 147 zu 42 Stimmen im Rat deutlich aus. Da der Nationalrat nun zum zweiten Mal nicht auf das Geschäft eingetreten ist, hat er es definitiv beerdigt. Damit fehlen auf absehbare Zeit Regeln für Whistleblower.

Unterstützung aus der Mitte

Im Rat machten sich einzig die Mitte-Fraktion und die GLP für das neue Gesetz stark. Unternehmen erhielten Leitplanken und Angestellte stünden vor weniger Unwägbarkeiten, erklärte Judith Bellaïche (GLP/ZH). Das Gesetz sei kompliziert, aber ein Anfang. «Nur selten ist eine Vorlage der Weisheit letzter Schluss.»

Philipp Bregy (CVP/VS) übte auch Kritik an seinen Ratskollegen. «Man versteht das Gesetz, wenn man will.» Auch die Kaskadenregelung sei einleuchtend. Es sei richtig, dass sich ein Whistleblower erst an die Öffentlichkeit wende, wenn Arbeitgeber und Behörden untätig blieben.

Streitpunkt Kündigungsschutz

Als einer der grossen Knackpunkte erwies sich die Frage, ob Whistleblowern gekündigt werden darf. Nach dem bundesrätlichen Vorschlag soll das auch künftig möglich sein. Erachten Whistleblower die Kündigung als missbräuchlich, haben sie die Möglichkeit sich auf dem Rechtsweg einen Schadenersatz von sechs Monatslöhnen zu erstreiten.

Für die Ratslinke ist das untragbar. Der Schutz für Informantinnen und Informanten sei schlicht ungenügend, erklärte Florence Brenzikofer (Grüne/BL). Nach Ansicht der Ratslinken haben zahlreiche Fälle von Whistleblowing in den letzten Jahren gezeigt, dass Hinweisgeber nach dem Rauswurf lange keine Anstellung mehr finden.

Die Ratsrechte scheut primär den Aufwand und die Kosten neuer gesetzlicher Bestimmungen, zu denen auch ein ausgeweiteter Kündigungsschutz gehört. Die Vorlage sei zu bürokratisch, erklärte Christa Markwalder (FDP/BE).

Gesetz auch im zweiten Anlauf gescheitert

Es ist nicht der erste Anlauf der Politik für einen Schutz von Whistleblowern. Die Schweiz bastelt seit 15 Jahren an einem Gesetz, das Hinweisgebern einen echten arbeitsrechtlichen Schutz gewähren soll. Der letzte Versuch des Bundesrates scheiterte 2015. Die Hauptkritik: Das Gesetz sei kompliziert und unverständlich.

Daraufhin legte der Bundesrat eine abgespeckte Version vor. Er will klare gesetzliche Regeln dafür, wann das Melden solcher Missstände rechtmässig ist und wann nicht. Heute sind es die Gerichte, die diese Beurteilung im konkreten Einzelfall vornehmen. Die gesetzliche Regelung bringt nach Ansicht des Bundesrates mehr Klarheit und Rechtssicherheit, sowohl für Unternehmen wie auch für Arbeitnehmende.

Armutszeugnis für die Schweiz

Für Justizministerin Karin Keller-Sutter rücken neue Regeln nun in weite Ferne. «Ich kann ihnen keine bessere Vorlage in Aussicht stellen», stellte die Bundesrätin im Nationalrat klar. Die Vorstellungen gingen im Parlament schlicht zu weit auseinander. «Wir werden nächstes Mal am gleichen Punkt sein.»

Deutliche Worte fand Transparency International Schweiz. Der heutige Entscheid sei ein Armutszeugnis für die Schweiz, heisst es in einer Mitteilung. «Die grosse Kammer beerdigt jahrelange Gesetzgebungsarbeiten auf dem Buckel der Whistleblowerinnen und Whistleblower.»

veröffentlicht: 5. März 2020 09:27
aktualisiert: 5. März 2020 09:28
Quelle: CH Media

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