Schweiz - Italien

Neues Grenzgängerabkommen unter Dach und Fach

23.12.2020, 18:28 Uhr
· Online seit 23.12.2020, 18:19 Uhr
Nach der Übereinkunft der Schweiz mit Italien über ein neues Abkommen herrscht Zufriedenheit. Doch für den Kanton Tessin dürften klare finanzielle Vorteile nicht vor 2034 spürbar werden.
Gerhard Lob, Bellinzona
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Die Frage der Grenzgängerbesteuerung sorgte seit Jahren für Reibungen zwischen Italien und der Schweiz, insbesondere dem Kanton Tessin. Nun ist endlich eine Lösung gefunden worden. Die Schweiz und Italien haben am Mittwoch in Rom ein neues Abkommen über die Besteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern unterzeichnet. Dies teilte das Eidgenössische Finanzdepartement mit. Die Parlamente der beiden Länder müssen das Abkommen allerdings noch genehmigen. Mit einem Inkrafttreten ist erst auf den 1. Januar 2023 zu rechnen, wie es an einer Medienkonferenz in Bellinzona hiess, an der auch Aussenminister Ignazio Cassis teilnahm.

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist wichtig, weil alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Italien, die ab diesem Termin neu in der Schweiz arbeiten, unter das neue Regime fallen. Für diese «neuen Grenzgängerinnen und Grenzgänger» erhöht sich die Steuer auf 80 Prozent, die auf das Einkommen in der Schweiz erhoben wird. Entscheidend ist: Die neuen Grenzgänger werden dann auch in Italien ordentlich besteuert, wobei eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Das heisst konkret: Die Grenzgänger werden in Italien besteuert und die in der Schweiz bezahlte Quellensteuer wird abgezogen. Unter dem Strich steigt die Steuerlast für diese neuen Grenzgänger, denn die Steuerbelastung ist in Italien wesentlich höher als in der Schweiz.

Regel soll Missbrauch verhindern

Hingegen fallen Personen, die zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem Inkrafttreten des neuen Abkommens in den Kantonen Graubünden, Tessin oder Wallis arbeiten oder gearbeitet haben, unter eine Übergangsregelung für «Grenzgänger nach aktueller Regelung». Diese werden weiterhin ausschliesslich in der Schweiz besteuert. Die Schweiz wird den italienischen Grenzgemeinden bis zum Ende des Steuerjahres 2033 einen finanziellen Ausgleich in der Höhe von 40 Prozent der von der Schweiz erhobenen Quellensteuer entrichten – das entspricht der Regelung gemäss dem Abkommen aus dem Jahr 1974, das noch in Kraft ist. Danach entfällt der Mechanismus des Quellensteuer-Ausgleichs mit Italien. Eine Missbrauchsregel soll im Übrigen verhindern, dass Schweizer Unternehmen kurz vor Inkrafttreten des neuen Abkommens noch bewusst Grenzgänger zu den alten Konditionen einstellen.

Welche konkreten finanzielle Vorteile für die Schweiz beziehungsweise das Tessin, das mit fast 70‘000 die meisten Grenzgänger im Land beschäftigt, aus dem neuen Abkommen resultieren, konnte an der Medienkonferenz niemand beziffern. Der Tessiner Wirtschafts- und Finanzdirektor Christian Vitta meinte, dass die Operation vorläufig finanziell neutral sei, ab 2034 die Vorteile dann aber spürbar werden sollten. Im Jahr 2019 überwies das Tessin 94,8 Millionen Franken an Quellensteuern von Grenzgängern zurück nach Italien.

Kritisch gegenüber dem neuen Abkommen äusserte sich gegenüber dieser Zeitung der Tessiner SVP-Ständerat Marco Chiesa. Er bezweifelt insbesondere, dass die ausgehandelte Version dazu führen wird, das Problem des Lohndumpings einzudämmen. Die FDP Tessin zeigte sich enttäuscht, dass in Hinblick auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen in Italien durch Schweizer Anbieter noch keine Fortschritte erzielt wurden.

veröffentlicht: 23. Dezember 2020 18:19
aktualisiert: 23. Dezember 2020 18:28
Quelle: CH Media

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