Olympische Spiele sind die teuersten Veranstaltungen der Welt und besitzen eine grosse politische und gesellschaftliche Ausstrahlungskraft. Die Meinung der akademischen Fachwelt gegenüber Mega-Events wie Olympiaden hinsichtlich Nachhaltigkeit ist allerdings geteilt.
Die Forschenden um den Geografen Martin Müller von der Universität Lausanne untersuchten anhand von neun Kennzahlen, wie die letzten 16 Olympia-Städte zwischen den Jahren 1992 und 2018 hinsichtlich wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit abgeschnitten hatten. Als Basis für die Untersuchung dienten Abschlussberichte der Veranstalter, Berichte des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Medienartikel sowie wissenschaftliche Fachliteratur.
Mittelmässige Bilanz
Im Durchschnitt bezeichnen die Forschenden in ihrer im Fachmagazin «Nature Sustainability» erschienenen Studie die Nachhaltigkeit der olympischen Spiele als «mittelmässig», mit 48 von 100 möglichen Punkten. Auch fand sich keine der ausgetragenen Olympiaden während des Untersuchungszeitraums in der obersten Kategorie des Nachhaltigkeitsmodells der Forschenden.
Die Auswertung deutet ferner darauf hin, dass es keinen Trend hin zu nachhaltigeren Spielen gibt. «Das hat uns tatsächlich sehr überrascht», sagte Müller der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Denn immerhin zielt das IOC in seiner Nachhaltigkeitsstrategie darauf ab, «sicherzustellen, dass die Olympischen Spiele im Bereich der Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle spielen». Aber: «Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die olympischen Spiele kein Nachhaltigkeitsprogramm für die Austragungsstädte darstellen», so Müller.
Zwangsumsiedlungen und Kostenüberschreitung
Die olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City (USA) erzielten gemäss der Studie das beste Ergebnis, gefolgt von den Winterspielen in Albertville (Frankreich) und den Sommerspielen in Barcelona (Spanien) 1992.
Am schlechtesten schnitten die Spiele im russischen Sotschi 2014 sowie diejenigen in Rio de Janeiro in Brasilien 2016 ab. Die Hauptgründe: Zwangsumsiedlung von Menschen, massive Neubauten, ungenutzte Sportstätten nach den Spielen sowie massive Kostenüberschreitungen.
Wohl kein Nachhaltigkeitspreis für Tokio
Falls die Corona-Pandemie den olympischen Sommerspielen in der japanischen Hauptstadt Tokio nicht nochmals einen Strich durch die Rechnung machen wird, wird schätzungsweise die Hälfte der Weltbevölkerung mit den Athletinnen und Athleten mitfiebern. Auch für diesen milliardenschweren Mega-Event berechneten die Forschenden den Nachhaltigkeits-Score auf Grundlage der vorläufigen Daten.
Demnach würde Tokio mit 40 Punkten unter dem langjährigen Durchschnitt der olympischen Spiele liegen. «Der Wert könnte sich noch ein bisschen verbessern, wenn aufgrund der Corona-Pandemie weniger Zuschauer in die Stadien strömen werden», so der Geograf Müller der Uni Lausanne.
Verbesserungsvorschläge
Die Analyse zeigt jedoch, dass eine nachhaltigere Organisation der Olympische Spiele möglich sein könnte. So empfehlen die Autoren in ihrer Studie, die gigantischen Veranstaltungen massiv zu verkleinern. Auch sollten die olympischen Spiele jeweils zwischen einer bestimmten Anzahl von Austragungsorten rotieren.
Ebenfalls empfehlen die Experten, dass eine unabhängige Stelle glaubwürdige Nachhaltigkeitsstandards entwickeln, überwachen und durchsetzen sollte. «Momentan übernehmen diese Aufgaben die Veranstalter und das IOC», sagte Müller. Das sei so, als würden seine Studenten ihre Prüfungen selbst bewerten.