Parlament entscheidet über Beteiligung an EU-Grenzschutz

17.05.2017, 14:21 Uhr
· Online seit 17.05.2017, 13:56 Uhr
Die EU verstärkt den Schutz ihrer Aussengrenzen und gibt der Grenzschutzagentur Frontex mehr Kompetenzen. Ob sich die Schweiz daran beteiligt, kann nun das Parlament entscheiden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zur Übernahme und Umsetzung einer EU-Verordnung verabschiedet.
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In der Vernehmlassung hatte sich die SVP als einzige Partei dagegen gestellt. Sie ist der Ansicht, jeder Schengen-Staaten sollte wieder seine eigenen Grenzen sichern.

Bei der EU-Verordnung handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Schengen-Rechts. Die Schweiz ist grundsätzlich verpflichtet, diese zu übernehmen. Tut sie das nicht, könnte das im äussersten Fall zu einer Beendigung der Zusammenarbeit von Schengen und Dublin führen. An Frontex ist die Schweiz seit 2011 beteiligt.

Mit der neuen EU-Verordnung wird Frontex eine rasch einsetzbare Reserve von 1500 Grenzschutzexperten zur Verfügung gestellt. Wie die anderen Schengen-Staaten muss sich auch die Schweiz daran beteiligen. Sie hat sich dazu verpflichtet, 16 Grenzschutzexperten bereitzustellen. Das entspricht 0,8 Prozent des Bestandes des Grenzwachtkorps (GWK), wie der Bundesrat in der Botschaft ans Parlament schreibt. Deutschland stellt 225 Experten, Frankreich 170.

In der Vernehmlassung monierten Parteien, der Einsatz der Schweizer Grenzwächter dürfe nicht zu einer personellen Schwächung des Grenzwachtkorps in der Schweiz führen. Der Bundesrat hält dazu fest, im Idealfall werde sich die Schweiz weiterhin im Umfang von 1700 Tagen an den Einsätzen von Frontex beteiligen. Die Einsatzdauer für den Soforteinsatzpool sollte 30 Tage nicht überschreiten.

Dass eine Aufstockung des Grenzwachtkorps nötig werde, sei jedoch «nicht mehr ganz auszuschliessen», schreibt der Bundesrat. Ursprünglich war er davon ausgegangen, dass das nicht nötig sein würde.

Grund für die neue Einschätzung ist das veränderte Verhalten der Migrantinnen und Migranten. Während in früheren Jahren die meisten der vom GWK Aufgegriffenen um Asyl nachsuchten, wollten im vergangenen Jahr viele die Schweiz lediglich durchqueren. Daraus ergebe sich für das GWK ein grösserer Aufwand, stellt der Bundesrat fest.

Der finanzielle Beitrag der Schweiz an den Schutz der EU-Aussengrenzen wird wie bisher nach dem Verhältnis des nationalen Bruttoinlandprodukts zu jenem aller Teilnehmerländer berechnet. Da das Budget und das Personal von Frontex erhöht werden sollen, wird der Beitrag aber steigen.

Im Jahr 2015 zahlte die Schweiz 4,6 Millionen Euro, im Jahr 2016 waren es 9,9 Millionen. Für das Jahr 2017 rechnet der Bundesrat mit 12,4 Millionen. Für 2018 liegt die Schätzung bei 13,2 Millionen, für 2019 bei 13,7 und für 2020 bei 14,2 Millionen Franken.

Der Bundesrat rechnet jedoch gleichzeitig mit Minderausgaben für die Rückführung von Migranten, da die Grenzschutzagentur Frontex in diesem Bereich künftig mehr Verantwortung trägt. Sie hat unter anderem die Aufgabe, die Schengen-Staaten durch die Finanzierung von Sammelflügen oder die Organisation von Rückführungsaktionen zu unterstützen.

Frontex soll auch europäische Rückkehrpools zur Unterstützung von Schengen-Staaten mit Schwierigkeiten beim Vollzug bilden können. Vorgesehen sind Teams aus Sachverständigen für die Identifikation der Personen und die Beschaffung von Reisedokumenten sowie Begleitpersonen.

Der Bundesrat geht davon aus, dass die Schweiz für den Begleiterpool etwa 25 kantonale Polizeibeamte zur Verfügung stellen muss, die jährlich gesamthaft für maximal 750 Einsatztage entsendet werden müssen.

Auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) müsste auf Anfrage von Frontex Mitarbeitende entsenden. Wie viele, hänge von der Migrationslage ab, schreibt der Bundesrat. Ferner wird die Schweiz verpflichtet, sich am Pool von Rückkehrbeobachtern zu beteiligen.

Bisher erfolgten Frontex-Einsätze nur auf Ersuchen der Schengen-Staaten. Neu erhält der Rat der Europäischen Union die Kompetenz, auf Antrag der Kommission einen Schengen-Staat zur Zusammenarbeit mit der Agentur aufzufordern.

Wenn der betreffende Staat dem Beschluss des EU-Rats nicht Folge leistet, kann der Rat anderen Schengen-Staaten die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen empfehlen. Frontex darf weiterhin nicht ohne Zustimmung eines Schengen-Staats auf dessen Gebiet intervenieren.

Im Jahr 2015 hatten gemäss Schätzungen 1,5 Millionen Menschen die Grenzen der EU illegal überschritten. Die vorhandenen Strukturen seien einem solchen Zustrom nicht gewachsen, schreibt der Bundesrat. Mehrere Schengen-Staaten hätten sich veranlasst gesehen, an den Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen einzuführen. Das stelle das Funktionieren und den Zusammenhalt des Schengen-Raums auf eine harte Probe.

veröffentlicht: 17. Mai 2017 13:56
aktualisiert: 17. Mai 2017 14:21
Quelle: SDA

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