Kritik an Qualität

Professor sieht an Unis mehr Mittelmass als Exzellenz

02.08.2022, 13:44 Uhr
· Online seit 02.08.2022, 13:15 Uhr
Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger kritisiert, dass das Niveau an den Schweizer Unis sinke. Für gute Leistungen im späteren Beruf brauche es auch Talent und Fähigkeiten, die nicht alle hätten.
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Studieren wird immer beliebter. Seit 2000 hat sich die Zahl der Studierenden an Hochschulen laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) mehr als verdoppelt, mittlerweile studieren fast 170'000 Menschen in der Schweiz. Geht es aber nach Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz, sitzen zu viele Studierende in den Hochschulen.

Die Schweiz wolle immer mehr Studenten, die dann einen Bachelor- oder einen Masterabschluss machten, kritisiert er im «Tages-Anzeiger». Das klappe de facto aber nur, indem die Universitäten das Niveau senkten. «Wir fördern deshalb nicht Exzellenz, sondern Mittelmass.» Lehrpläne und Studienpläne strotzten heute von grossartig formulierten Kompetenzen, doch in Wirklichkeit seien das oft leere Worthülsen.

Qualität verschlechtere sich

Binswanger bezeichnet es als Trugschluss zu glauben, dass Bildung allein für gute Leistungen im späteren Beruf ausreiche. Es brauche auch Talent und Fähigkeiten, die nicht alle hätten. «Erst wenn Bildung auf Fähigkeit und Motivation trifft, kann daraus auch Exzellenz werden.»

Er kritisiert, dass die Anforderungen in vielen Berufen anstiegen und man glaube, höhere Qualifikationen für ausgeschriebene Stellen verlangen zu müssen. «Also streben auch Jugendliche mit guten handwerklichen oder technischen Fähigkeiten eine akademische Ausbildung an.» Dadurch verschlechtere sich die Qualität der verbleibenden Lehrlinge. Dies führe wiederum dazu, dass Unternehmen höhere Bildungsanforderungen bei der Stellenausschreibung setzten.

«Es kommt zur Bildung von Eliteuniversitäten»

Binswanger stellt in der Schweiz eine Angst fest, den Anschluss an das Ausland zu verpassen und die Furcht, junge Menschen ohne akademische Ausbildung hätten keine Chance. Diese Angst bezeichnet der Professor als verfehlt. Dazu verweist er auf den Fachkräftemangel beim Pflegepersonal, den Elektromonteuren, Verkaufsberatern, Software-Entwicklern, Schreinern, Köchen, Gärtnern und Polymechanikern. Stattdessen fordert der Professor Praktiker mit ganz speziellen Fähigkeiten. «Und die eignet man sich am besten ‹on the job› über eine Berufslehre an.»

Die Schweiz trage ihrem Bildungssystem zu wenig Sorge und werte es klammheimlich selbst immer mehr ab, so Binswanger. «Unter dem Deckmantel ‹Bildung für alle› werden die Universitäten immer mehr zu überfüllten Masseninstitutionen.» Er warnt davor, dass ein Studium an einer Durchschnitts-Uni nicht mehr viel gelte. «Es kommt zur Bildung von Eliteuniversitäten.»

(bza)

veröffentlicht: 2. August 2022 13:15
aktualisiert: 2. August 2022 13:44
Quelle: Today-Zentralredaktion

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