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Schweizer Unternehmen ziehen Milliarden aus Töchtern im Ausland ab

· Online seit 12.12.2020, 10:36 Uhr
Unternehmen mit Sitz in der Schweiz haben 2019 so viele Mittel aus Tochtergesellschaften im Ausland abgezogen wie noch nie. Netto wurden 42 Milliarden Franken mehr heimgeholt als im Ausland investiert.
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Im Jahr davor hatten in der Schweiz ansässige Unternehmen netto noch 44 Milliarden Franken im Ausland investiert, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Freitag bekannt gab.

Bisher waren die Direktinvestitionen erst einmal ins Minus gerutscht, wie ein Blick in die SNB-Statistik zeigt. 2014 belief sich der Abzug allerdings lediglich auf 259 Millionen Franken. Sonst haben Schweizer Firmen immer mehr im Ausland investiert als abgezogen.

Traditionellerweise zählt die Schweiz zu den weltweit grössten Direktinvestoren. Gründe hierfür sind unter anderem die zahlreichen Hauptsitze grosser multinationaler Konzerne und die Attraktivität der Schweiz als Standort für ausländisch beherrschte Holdinggesellschaften.

Hohe Rückzüge von Dienstleistungsfirmen

Nun lief es 2019 umgekehrt: Rekordhohe Rückzüge von 53 Milliarden Franken tätigten laut SNB Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, nachdem sie 2018 noch 29 Milliarden im Ausland investiert hatten: Im konzerninternen Kreditverkehr zogen Handelsfirmen 27 Milliarden Franken ab und bei Firmen aus der Branche «Übrige Dienstleistungen» flossen 17 Milliarden Franken aus dem Ausland ab.

Bei den Finanz- und Holdinggesellschaften beliefen sich die Abflüsse auf 20 Milliarden Franken. Auch das ist ein neuer Höchstwert. «Insbesondere reduzierten sie im Rahmen von Konzernumstrukturierungen das Beteiligungskapital bei Tochtergesellschaften im Ausland», heisst es im Bericht der SNB.

Dagegen investierte die Industrie 11 Milliarden jenseits der Grenze. Die grössten Investoren kamen aus der Branchengruppe «Übrige Industrien und Bau».

Luxemburg und Irland getroffen

Die Rückzüge betrafen laut SNB in erster Linie Tochtergesellschaften in Europa (36 Mrd). Ausschlaggebend waren die hohen Abflüsse in den Holdingstandorten Luxemburg und Irland.

Hingegen bauten inländische Unternehmen ihre Investitionen in der Mehrheit der anderen Länder Europas aus: am meisten in Ungarn, aber auch Grossbritannien, in Deutschland und Belgien, stellte die SNB fest.

Ausserhalb Europas überwogen die Mittelrückzüge auch in Lateinamerika (11 Mrd) und Asien (8 Mrd). Dagegen waren Nordamerika (11 Mrd) und Afrika (3 Mrd) die einzigen Regionen, die per saldo einen Zufluss schweizersicher Direktinvestitionen verzeichneten.

Kapitalbestand im Ausland geschrumpft

Der Kapitalbestand ist nach dem Rekord im Vorjahr (1460 Mrd) ebenfalls erstmals seit 2014 wieder geschrumpft. Der Bestand an Direktinvestitionen im Ausland betrug im vergangenen Jahr noch 1445 Milliarden Franken. Davon entfielen 989 Milliarden auf Schweizer Unternehmen (ohne ausländisch beherrschte Finanz- und Holdinggesellschaften).

Mit 580 Milliarden Franken verfügten die Finanz- und Holdinggesellschaften über den mit Abstand grössten Kapitalbestand im Ausland. Der Löwenanteil davon war ausländisch beherrscht (456 Mrd), wie die SNB-Statistik zeigt. Auf Platz zwei lag die Chemie- und Kunststoffbranche mit 177 Milliarden Franken.

Weniger Stellen

Auch der Personalbestand schrumpfte: Die von der Nationalbank befragten schweizerisch beherrschten Unternehmen beschäftigten in ihren Tochtergesellschaften im Ausland gut 2 Millionen Menschen. Das sind 54'000 weniger als im Vorjahr. Diese Konzerne sind auch im Inland bedeutende Arbeitgeber, wo sie 547'000 Angestellte haben.

Auch Abflüsse aus der Schweiz

In der umgekehrten Richtung gab es ebenfalls Abflüsse: 2019 zogen Investoren im Ausland per saldo 79 Milliarden aus Unternehmen in der Schweiz ab. Das ist ebenfalls ein neuer Rekord. 2018 hatten sich die Rückzüge auf 67 Milliarden belaufen. Zuvor hatte es nie in der Geschichte Abflüsse in zweistelliger Milliardenhöhe gegeben.

Hohe Mittelrückzüge gab es im konzerninternen Kreditverkehr (50 Mrd), wofür laut SNB in erster Linie Konzernumstrukturierungen verantwortlich waren.

Aber auch das Beteiligungskapital wurde wie im Vorjahr wegen der Steuerreform in den USA abgebaut: US-Mutterkonzerne nutzten diese, um einen Teil der Eigenkapitalreserven aus Tochtergesellschaften in der Schweiz zu repatriieren.

veröffentlicht: 12. Dezember 2020 10:36
aktualisiert: 12. Dezember 2020 10:36
Quelle: sda

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