Materialforschung

Selbstformendes Holz für schwungvolle Bauten

17.09.2019, 13:03 Uhr
· Online seit 17.09.2019, 10:30 Uhr
Seit Mai steht bei Stuttgart ein Turm aus geschwungenen Fichtenplatten, die sich ohne Maschinenkraft selbst in Form gebracht haben. Schweizer und deutsche Forschende stellen nun ihre Methode für die selbstformenden Bauelemente vor.
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Wer schon einmal ein Holzbrett auf einer feuchten Unterlage hat liegen lassen, kennt das Phänomen: Feuchtes Holz quillt und krümmt sich. Je nachdem, wie es trocknet, kehrt es auch nicht mehr in die gerade Form zurück.

Was meist unerwünscht ist, nutzen Forschende der ETH Zürich, der Forschungsanstalt Empa und der Uni Stuttgart, um Holzbauelemente in geschwungene Formen zu bringen. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für kurvenreiche architektonische Entwürfe mit Holz, ohne dass der nachwachsende Baustoff mit schwerem Gerät in die gewünschte Form gepresst werden muss.

Die Forschenden stellen im Fachblatt «Science Advances» einen kontrollierten Trocknungsprozess vor, der sich das natürliche Quellen und Zusammenziehen von Holz je nach seiner Feuchtigkeit zunutze macht, wie die ETH am Dienstag mitteilte.

Durch Faserrichtung vorprogrammiert

Wenn feuchtes Holz trocknet, zieht es sich senkrecht der Faserrichtung stärker zusammen als parallel zur Faserrichtung. Indem die Wissenschaftler zwei Holzschichten als sogenannten «Bilayer» so zusammenkleben, dass die Faserrichtungen unterschiedlich orientiert sind, zieht sich beim Trocknen eines Schicht stärker zusammen als die andere. «Da die beiden Schichten fest miteinander verklebt sind, biegt sich das Holz», erklärte Markus Rüggeberg von der ETH und der Empa gemäss der Mitteilung.

Mit Hilfe eines Computermodels können die Forschenden die Krümmung dieser Grundelemente berechnen. Wenn ein Bilayer die gewünschte Form erreicht hat, kann man ihn mit weiteren Bilayern verkleben, um die nötige Materialstärke und Stabilität als Bauelement zu erreichen. Das fertige Bauelement bleibe dann auch bei sich ändernder Luftfeuchte in Form, schrieb die ETH.

Im Praxistest hat sich die Methode bereits im vergangenen Mai bewiesen: Im Remstal bei Stuttgart errichteten die Wissenschaftler einen 14 Meter hohen Turm als Landmarke für die Landesgartenschau. Der «Urbach Turm» sei das erste Holz-Bauwerk aus grossen, sich selbst formenden Elementen, hiess es. Am Projekt beteiligt waren auch die Schweizer Holzbaufirma Blumer-Lehmann AG, sowie Forschende des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart.

https://advances.sciencemag.org/content/5/9/eaax1311

veröffentlicht: 17. September 2019 10:30
aktualisiert: 17. September 2019 13:03
Quelle: sda

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