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Seltenes Alpen-Phänomen: Weshalb sich ein Bergbach im Engadin schneeweiss färbt

24.06.2020, 13:01 Uhr
· Online seit 24.06.2020, 13:00 Uhr
Im abgelegenen Engadiner Val Lavirun färben sich die Steine im Bachbett des kleinen Bergbachs Ova Lavirun über eine Distanz von mehr als einem Kilometer weiss. Grund dafür sind weisse Flocken aus Aluminiumsulfat.
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(sih) Das Phänomen wurde vor Jahrzehnten bei Laboruntersuchungen entdeckt, aber trotz intensiver Suche konnte das Auftreten in der Schweiz nie nachgewiesen werden. Bis ein Jäger einen entscheidenden Hinweis auf den Ova Lavirun im nach ihm benannten Engadiner Seitental liefert. Dank Hinweisen aus der Bevölkerung wissen die Forscher inzwischen von einer Handvoll weiterer Standorte, an denen das Phänomen beobachtet wurde.

In einem Video erklären nun Christoph Wanner vom Institut für Geologie der Universität Bern und Gerhard Furrer von der ETH Zürich, weshalb sich der Ova Lavirun schneeweiss färbt. Die drei Voraussetzungen: 1. Das Vorkommen des Minerals Pyrit im Gestein. 2. Tiefe Fliessgeschwindigkeit des Wassers. 3. Vermischung des Wassers mit jenem anderer Bergbäche, die nicht durch Pyrit beeinflusst sind, schreibt die Universität Bern in einer Mitteilung vom Mittwoch.

Hinweise auf weitere Standorte

Konkret laufen folgende geochemischen Prozesse ab: Wenn das Mineral Pyrit mit Wasser in Kontakt kommt, entsteht Schwefelsäure, die den pH-Wert des Wassers stark absenkt. Das saure Wasser löst Aluminium aus dem Gestein. Damit eine hohe Anreicherung erreicht werden kann, muss das Wasser langsam fliessen. Die Quelle des Ova Lavirun liegt in einem Permafrostgebiet und das Gelände ist relativ flach.

Die letzte Bedingung ist die Vermischung des Wassers mit Bergbächen, die nicht durch Pyrit beeinflusst sind. «Dadurch erhöht sich der pH-Wert wieder, und weil die Löslichkeit des Aluminiums mit steigendem pH-Wert abnimmt, kommt es zu einer so genannten ‹Ausfällung›», lässt sich Christoph Wanner zitieren. Dabei bilden sich Aluminiumsulfats-Flocken, welche die Steine mit einer weissen Schicht überziehen.

Erstmals über das Phänomen berichtet wurde 2018. Daraufhin meldeten sich zahlreiche Leserinnen und Leser, die Hinweise zu sieben anderen Standorten hätten, an denen sie das Phänomen ebenfalls beobachteten. Fünf davon befinden sich ebenfalls im Kanton Graubünden, die anderen in den italienischen und österreichischen Alpen. In diesem Sommer wollen die Forscher weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung nachgehen.

veröffentlicht: 24. Juni 2020 13:00
aktualisiert: 24. Juni 2020 13:01
Quelle: CH Media

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