Ständerat sagt Nein zu mehr Erwerbsersatz für Mütter
SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf hat in einer Motion gefordert, dass die Schlechterstellung der Mütter beim Erwerbsersatz aufgehoben wird. Der Höchstbetrag soll analog jenem der Armee- und Zivildienstleistenden auf 245 Franken pro Tag erhöht werden. Aktuell bekommen frischgebackene Mütter maximal 196 Franken. Zudem haben sie, im Gegensatz zu den selbstständig tätigen Militärdienstleistenden, kein Anrecht auf Betriebszulagen.
In ihrer Kammer hat Seiler Graf deutliche Zustimmung erfahren, der Ständerat tat sich mit der Motion hingegen schwer. In der Debatte am Mittwochvormittag regte sich bürgerlicher Widerstand gegen die höhere Maximalentschädigung. So sagte etwa Hannes Germann (SVP/SH), der Militärdienst sei «eine Pflicht, die wir gegenüber dem Staat zu erbringen haben." Eine Mutterschaft hingegen sei freiwillig.
Perlen aus dem Ständerat: "Man dürfe nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Denn der Militärdienst sei eine Pflicht, die Mutterschaft nicht." So begründet Minderheitssprecher @germann_hannes warum Mütter weniger Erwerbsersatz erhalten sollen als Soldaten. https://t.co/CLxHCBgRpK
— Min Li Marti (@minlimarti) June 8, 2022
Ein Stichentscheid musste her
Auch sein Schwyzer Parteikollege Alex Kuprecht wehrte sich gegen die Motion. Er fürchtete Mehrkosten, die über höhere Lohnbeiträge kompensiert werden müssten. In seinem Votum wandte sich Kuprecht an seine Ratskolleginnen und Ratskollegen: «Ich möchte Sie bitten, auch in Zukunft vermehrt Zurückhaltung zu üben. So kann und darf es nicht mehr weitergehen.»
So drückten in der Folge bloss acht männliche Ständeräte aus SP und Mitte den Ja-Knopf. Die anderen zwanzig Männer im Saal - alles Mitte-, FDP- und SVP-Politiker - lehnten die Motion ab. Der Entscheid fiel in der Folge denkbar knapp aus: Mit Stichentscheid von Ratspräsident Thomas Hefti (FDP/GL) ist die Motion nun definitiv vom Tisch.
Der Ständerat ist «furchtbar konservativ»
Ebenfalls gegen die Motion gestellt hatte sich der Bundesrat. Innenminister Alain Berset sprach von «weitreichenden Konsequenzen», sollte der Vorstoss angenommen werden. Die finanziellen Folgen seien beträchtlich und würden sich im Jahr 2030 auf etwa 260 Millionen belaufen.
Der Beschluss löste bei den Befürworterinnen Unmut aus. Alle anwesende Ständerätinnen stimmten der Motion zu. So bezeichnet etwa Eva Herzog (SP/BS) den Ständerat als «Altherrenkammer, die furchtbar konservativ» sei in Gesellschaftsfragen. Und sie fragt sich, was eigentlich freiwilliger ist in einer Demokratie, Militärdienst oder Kinder kriegen.
Was hätten sieben Stimmen mehr bewirkt?
Ähnlich äussert sich Erich Ettlin (Mitte/OW): «Wir müssen froh sein, wenn Frauen Kinder kriegen wollen. Da haben wir also schon Geld für Dümmeres ausgegeben.» Und Brigitte Häberli-Koller, die Sprecherin der vorbehandelnden Kommission, sagte, die Mehrheit der Kommission habe die Ungleichbehandlung als nicht mehr zeitgemäss erachtet.
Was auffällt: Sieben Mitglieder des Ständerats nahmen an der Abstimmung gar nicht erst teil. Die grosse Zahl der Absenzen lässt den Verdacht aufkommen, dass die Vorlage manchen Vertretern im «Stöckli» nicht so wichtig zu sein schien. Womöglich hätten sie für ein anderes Resultat gesorgt.
(mhe)