«Stern am schwarzen Himmel»: Polens Präsident ehrt Holocaust-Retter

09.10.2018, 18:00 Uhr
· Online seit 09.10.2018, 14:36 Uhr
Der Friedhof Friedental in Luzern hat am Dienstag einen Grossaufmarsch erlebt - und dies ganz ohne Beerdigung. Zu Ehren des polnischen Holocaust-Retters Konstanty Rokicki (1899-1958) kamen Holocaust-Überlebende und auch der polnische Präsident.
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Rote und weisse Rosen, weisse und eine rote Kerze und das weiss-rote Band um den Kranz auf dem Grabstein gemahnen allesamt daran, wes Staates Kind der Mann gewesen ist, für den die polnische Botschaft einen Grabstein auf dem Luzerner Friedhof setzen liess. Und das 60 Jahre nach seinem Tod.

Rund 150 Personen sind an diesem sonnigen Nachmittag gekommen, um des polnischen Konsuls Rokicki zu gedenken, der im Zweiten Weltkrieg geholfen hatte, mittels gefälschter Pässe Juden das Leben zu retten. Auf dem Friedhof wimmelt es von Sicherheitsleuten und ein Tross vornehmlich polnischer Journalisten drängt sich neben dem Grab.

Die Kameras klicken aus dem Takt mit dem Militärtrommler, als der polnische Präsident Andrzej Duda das rot-weisse Kranzband richtet und vor dem neu erstellten Grabstein in die Knie geht. «Konstanty Rokicki, polnischer Konsul in Bern, Holocaust-Retter» ist hier in Stein gemeisselt.

Als wohl schlimmste Zeit der Menschheit bezeichnete Duda in seiner Rede den Holocaust. Er beuge sein Haupt vor all den ermordeten Juden, Europäern und Polen. «Heute stehen wir am Grab eines Mannes, der ein heller Stern war am schwarzen Himmel des Terrors», sagte Duda.

Aus seiner Perspektive besonders wertvoll sei, dass die Diplomaten, die an dieser illegalen Aktion beteiligt waren, nicht alleine gehandelt hätten. Die Kooperation, die zusammen mit jüdischen Organisationen ausgeführt wurde, habe Polen so präsentiert, wie es war: Ein Land vieler verschiedener Nationen, die zusammenlebten.

Rokicki und weiter Diplomaten hätten über 2200 Menschen gerettet, in dem sie ihnen Pässe des damals neutralen Paraguay ausstellten. Somit landeten die Betroffenen statt in Konzentrations- in Internierungslagern. Was das bedeutete, das schilderte Heidi Fishman aus Vermont gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Rande der Zeremonie, zu der sie angereist war.

Ihr Grossvater, ein Metallhändler aus Köln, siedelte nach Amsterdam über und sei dort während des Kriegs an einen solchen Pass gelangt. Wie genau, darüber sei man sich nicht im Klaren. Über das niederländische Durchgangslager Westerbork landete er in Theresienstadt und sollte nach Auschwitz gebracht werden, wovor ihn der Pass bewahrt habe. Nach der Befreiung kam er über Umwege in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod blieb.

Fishman, die ihre Familiengeschichte im Buch «Tutti's Promise» festgeschrieben hat, stiess über einen Hinweis auf ihrem Blog auf die Geschichte hinter den Pässen und gelangte so zur Einsicht, dass auch Juden in den Niederlanden von den Polen profitierten.

Indem die Diplomaten nicht nur polnischen Juden halfen, hätten sie einen humanitären Akt begangen, sagte Präsident Duda. Sie agierten auf Schweizer Boden und obwohl die Behörden von der Illegalität wussten, hätten sie diese erlaubt. Auch Paraguay habe die Pässe nicht in Frage gestellt.

Für ihre Dienste hätten die Diplomaten kein Geld verlangt. Die meisten seien in Armut gestorben. Darauf deutet im Falle Rokickis hin, dass er, der nach dem Krieg in der Schweiz blieb und nach Altdorf UR zog, nach seinem Tod 1958 im Kantonsspital Luzern in einem Reihengrab beerdigt wurde.

Auf Bitte der polnischen Botschaft half die Stadt Luzern ab März 2018 mit, den genauen Standort des Grabes zu suchen. Rokickis Leichnam wurde im Grabfeld 17 bestattet. Gleich in der Nähe liegt nun der Grabstein, auf dem nach der Ansprache des Präsidenten Überlebende und ihre Angehörigen Steine ablegten. Mindestens 20 der dank der Pässe Geretteten seien noch am Leben.

Die Grabplatte bleibt mindestens die nächsten 25 Jahr da. Die polnische Botschaft hat sich den Platz für 2000 Franken gesichert. Danach kann der Vertrag für den Grabplatz verlängert werden. Rokicki ist im Friedental in guter Gesellschaft. So fand etwa der Literaturnobelpreisträger Carl Spitteler (1885-1924) hier seine letzte Ruhe.

veröffentlicht: 9. Oktober 2018 14:36
aktualisiert: 9. Oktober 2018 18:00
Quelle: SDA

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