Corona-Einschränkungen

Wieso Kinder unter der Krise besonders leiden

15.11.2020, 08:09 Uhr
· Online seit 15.11.2020, 06:54 Uhr
Die Pandemie nagt an den Nerven. Das bekommen auch Kinder zu spüren. Auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
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Dass sich die Corona-Krise auf Kinder auswirkt, zeigt etwa eine laufende Studie der Hochschule Luzern. Innerfamiliäre Konflikte und Gewalt nahmen nach dem Ende des Lockdowns eher zu als ab. Die repräsentative Befragung untersucht, wie sich das Zusammenleben in den Familien während des Lockdowns und in den ersten Monaten danach entwickelt hat. Die Befragten gaben im Schnitt an, dass das Klima in ihren Familien sowohl zum Zeitpunkt der Befragung als auch während des Lockdowns eher harmonisch war und es eher keine Spannungen und Reibereien gab. Bemerkenswert ist, dass sich das Familienklima im Schnitt nach dem Lockdown leicht verschlechtert hat. «Die Resultate deuten darauf hin, dass die lange Dauer der Pandemie an den Nerven der Bevölkerung nagt, was zu mehr Spannungen und Konflikten bis hin zu Gewalt in der Familie führen kann», lautet das bisherige Fazit der Studienautorinnen, wie sie in einer Mitteilung schreiben.

Eltern meiden Arztpraxen

Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb Kinder die Corona-Pandemie besonders stark zu spüren bekommen. Auch im Hinblick auf ihre körperliche Gesundheit gibt es negative Auswirkungen. So meiden manche Eltern aus Angst, mit dem Corona-Virus in Kontakt zu kommen, Spitäler und Arztpraxen. «Wenn Krankheiten nicht früh genug erkannt werden, kann das für Kinder lebensbedrohlich sein», warnt Ulrike Brennan, COO des Kinderarzthauses, im «SonntagsBlick». Viele Eltern würden den Arztbesuch hinauszögern. «Die Kinder, die zu uns kommen, sind kränker als sonst», so die Kinderärztin.

Neben gesundheitsbedingten Arztbesuchen würden auch wichtige Impftermine und Vorsorgeuntersuchungen abgesagt. Einen Grund, die Praxis zu meiden, sieht Brennan nicht, zumal es strenge Schutzkonzepte gebe.

«Generation Corona»

Aber nicht nur wegen fehlender Arztbesuche bekommen Kinder die Pandemie besonders stark zu spüren. Auf Generation Z würde nun «Generation Corona» folgen, sagt die Kinderärztin gegenüber dem «SonntagsBlick». Die Kinder seien zwar anpassungsfähig, würden aber weniger unbeschwert aufwachsen. Dies durch die Einschränkungen in der Schule und in der Freizeit. Es fehle vielen an Bewegung, weil die Trainings wegfallen. Zudem litten insbesondere Einzelkinder unter den fehlenden sozialen Kontakten.

Mehr Anfragen bei Pro Juventute

Dass sich die Pandemie auch auf die Psyche von Kindern auswirkt, registriert etwa das Beratungsangebot 147 von Pro Juventute. Laut «SonntagsBlick» verzeichnete dieses von März bis August wesentlich mehr Anfragen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Und auch regionale Anlaufstellen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) würden seit dem Ende des Lockdowns mehr Fälle verzeichnen als in früheren Jahren. «Viele Familien leiden an den Einschränkungen, die mit der Pandemie einhergehen», sagt Patrick Fassbind, Präsident der Kesb im Kanton Basel-Stadt, gegenüber dem «SonntagsBlick».

Fassbind befürchtet, dass es zu mehr Aggressionen und Gewalt gekommen sei. Eine noch unveröffentlichte Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bestätige laut «SonntagsBlick», dass die Zahl der Übergriffe auf Kinder im Lockdown zugenommen hatte. «Die häufigere Präsenz der Kinder in den Haushalten, die mit dem Lockdown-bedingten Homeschooling einherging, scheint das Risiko zu erhöhen, Gewalt gegenüber Kindern zur Anwendung zu bringen», so das Fazit der Studie. 

(red.)

veröffentlicht: 15. November 2020 06:54
aktualisiert: 15. November 2020 08:09
Quelle: PilatusToday

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