Grosse Resonanz

Die St.Galler Corona-Bibel ist online

· Online seit 03.12.2020, 10:10 Uhr
Die Idee der St.Galler Corona-Bibel ist während des ersten Lockdowns entstanden und jetzt ist das Projekt bereits online. Über 900 Menschen haben sie mitgestaltet und so ein Zeitzeugnis der Corona-Krise erschaffen.
Vanessa Kobelt und Ines Schaberger

Entstanden ist die Idee der Corona-Bibel während des ersten Lockdowns in St.Gallen, berührt hat sie die Menschen aber auf der ganzen Welt. Ein Team von Seelsorgern hatte im Frühling dazu aufgerufen, jeweils ein Kapitel der Bibel mit der Hand abzuschreiben, zu gestalten und einzusenden. Über 900 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus aller Herren Ländern haben sich beteiligt und so ein Zeitzeugnis der ersten Monate der Corona-Krise erschaffen.

Ein Stück Geschichte

Initiator des Projekts, Pfarrer Uwe Habenicht, freut sich, dass die Bibel nun online veröffentlich ist. Für ihn sind die insgesamt 1189 Kapitel ein Stück Geschichte. «Es ist ja ganz selten, dass sozusagen in Echtzeit Menschen darüber berichten können, wie es ihnen in einer Krise geht“, findet der Pfarrer von Straubenzell. «Die Schreibenden der Corona-Bibel hatten die Möglichkeit, mitten in der Krise über sich und ihre Befürchtungen zu schreiben. Das macht diese Bibelausgabe zu etwas Einzigartigem.»

Auseinandersetzung mit der Bibel

Manches wurde in der Bibel in Worte gefasst, anderes gezeichnet oder gestaltet. Kinder hätten ihre Seiten auch mal mit kleinen Zeichnungen von Coronaviren verziert. Das Projekt sei eine gute Methode gewesen, sich sowohl mit der Krise, als auch mit der Bibel auseinander zu setzen. «Aus den Kommentaren wissen wir, wie sehr viele mit den biblischen Texten gerungen haben. Viele haben die Distanz zur Vergangenheit gespürt, aus der diese Texte kommen», sagt Uwe Habenicht. «Und doch wirft gerade der Vergleich mit der Vergangenheit ein ganz neues Licht auf die Gegenwart.» Eine Künstlerin wollte zum Beispiel ihr Deckblatt zu einem Prophetenbuch nicht gestalten, weil ihr das Gottesbild in diesem biblischen Buch so fremd war. «Ich habe sie gebeten, genau diesen Widerspruch künstlerisch zu verarbeiten, was dann sehr gelungen ist. Das heisst für mich, dass gerade das Widerständige und Fremde Reifungs- und Verstehensprozesse ermöglicht.»

Verbundenheit mit anderen Menschen

Den Leuten habe es in der Krisenzeit sehr gut getan, sich mit der Bibel auseinanderzusetzen und an dem Projekt teilzunehmen. Das bestätigt auch der Leiter der Cityseelsorge, Roman Rieger. «Bei den vielen Einsendungen lag oft ein Briefchen bei. Viele schrieben uns, es hätte ihnen gut getan, sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen. Ausserdem habe ihnen das Abschreiben der Bibel eine Art Sinn gegeben, in einer Zeit, in der man nur alleine zu Hause rumsitzt», sagt Rieger. Zu normalen Zeiten hätte er selbst über diese Idee den Kopf geschüttelt. «In der Corona-Krise aber war das Abschreiben eine Art Ablenkung von der Isolation und das hat den Menschen gut getan.»

Corona-Bibel kommt in die Stiftsbibliothek

Von der Künstlerin bis zum Gefängnis-Insasse: Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, haben sich an der Corona-Bibel beteiligt. In St.Gallen war man von der grossen Resonanz überwältigt, auch wenn diese eine Herausforderungen darstellte. «Ich muss zugeben, dass ich den logistischen Aufwand unterschätzt habe. Ohne die Unterstützung von Freiwilligen, die tagelang Umschläge geöffnet und einsortiert haben, wäre es gar nicht gegangen», ist sich Uwe Habenicht sicher. Am Ende sei aber alles aufgegangen und die Bibel ist jetzt, rechtzeitig zum Advent, online abrufbar. Die sieben Bände der Original-Corona-Bibel werden derzeit noch gebunden, sie sollen der St.Galler Stiftsbibliothek am Jahrestag des ersten Lockdowns in der Schweiz übergeben werden. Das ist am 14. März 2021.

Die ganze Entstehungsgeschichte der Corona-Bibel erzählen uns Uwe Habenicht und Roman Rieger in der neuen Folge des «Gott und d'Welt»-Podcasts.

veröffentlicht: 3. Dezember 2020 10:10
aktualisiert: 3. Dezember 2020 10:10
Quelle: FM1Today