2018 war ein guter Sport-Jahrgang

31.12.2018, 12:32 Uhr
· Online seit 31.12.2018, 11:43 Uhr
2018 war ein ereignisreiches Sportjahr. Ob Roger Federer, die Schweizer Olympioniken, die Eishockey- und Fussball-Nationalmannschaft oder Ester Ledecka - sie alle schrieben Sportgeschichte.
Anzeige

1998 heftete Roger Federer als 17-Jähriger einen Zettel an seine Zimmertür in Miami: «Hier wohnt die Nummer 1!» Damals hatte Federer die Orange Bowl gewonnen und war die neue Nummer 1 bei den Junioren. 20 Jahre später, am 16. Februar nach einem Sieg über Robin Haase in Rotterdam, wurde Federer mit bald 37 erneut die Nummer 1 - als ältester Spieler aller Zeiten. Einen Monat vorher hatte er in Melbourne den 20. Grand-Slam-Titel geholt. «Das war einer der besten Tage für die Schweiz», sagte Federer in Rotterdam, «mit drei Medaillen in Pyeongchang und mit mir in Rotterdam.»

Im Rückblick findet Federer es witzig: «Schon vor fast zehn Jahren hörte ich Dinge wie: ‹Nun ist es okay, wann hörst Du auf?› Um diesen Diskussionen ein Ende zu setzen, habe ich darauf erklärt, sicher bis zu den Sommerspielen 2012 zu spielen. Später wurde aus 2012 dann Rio 2016.» Jetzt steht die Saison 2019 vor der Tür und Federers nächstes grosses Ziel befindet sich in Griffnähe: Ein Turniersieg fehlt ihm noch, um als zweiter Mann nach Jimmy Connors auf 100 zu kommen.

Die Schweizer Medaillenjagd an den Winterspielen wurde von Jenny Perret/Marcel Rios lanciert. Die ganze Schweiz amüsierte sich köstlich über den rauen Umgangston der Mixed-Curler, der über Mikrofone in die Wohnstuben übermittelt wurde.

Von den Schweizer Topfavoriten holte nur Dario Cologna Gold. Der Münstertaler sicherte sich über 15 km seine vierte olympische Goldmedaille, die dritte in Folge über 15 km. Das hatte vor ihm noch keiner geschafft. Iouri Podladtchikov musste auf die Titelverteidigung verzichten; Beat Feuz gewann als Favorit in der Abfahrt bloss Bronze, 24 Stunden später aber als Aussenseiter im Super-G Silber. 18 und 13 Hundertstel fehlten Feuz zu Gold.

Nach Cologna holte die Schweiz noch vier Goldmedaillen: Die Genferin Sarah Höfflin und die Freiburgerin Mathilde Gremaud feierten im Slopestyle einen Doppelsieg. Zwei Medaillen gab es auch in der Kombination: Michelle Gisin holte Gold, Weltmeisterin Wendy Holdener Bronze. Im Teamwettkampf Ski alpin führten Ramon Zenhäusern und Wendy Holdener mit je vier gewonnenen Duellen die Schweiz zum Sieg. Nevin Galmarini holte im Parallel-Riesenslalom auf dem Snowboard vier Jahre nach Silber in Sotschi überlegen Gold.

Am 17. Februar sorgte die Tschechin Ester Ledecka (23), die weltbeste Snowboarderin, für die vielleicht grösste Sportsensation der Geschichte. Sie gewann in ihrem erst 20. grossen Skirennen im Super-G Olympiagold - auf Skis, die sie sich von Mikaela Shiffrin geliehen hatte. Zuvor hatte sie es nie unter die besten 15 geschafft.

Im Ziel traute Ledecka ihren Augen nicht, als Platz 1 aufleuchtete. Sie schaffte etwas, was niemandem gelungen war - Goldmedaillen in unterschiedlichen Sportarten. Natürlich gab es Thorleif Haug, Johan Gröttumsbraten, Heikki Hasu und Anfissa Reszowa. Aber deren Erfolge in der Nordischen Kombination, respektive im Biathlon (Reszowa) beruhten auf schier grenzenloser Überlegenheit im Langlauf.

Auf das Unfassbare hatte Ledecka jahrelang hin trainiert. «Mein Traum war, alles zu gewinnen: Olympiagold, WM-Titel, Gesamtweltcup, und das in jeder Disziplin der jeweiligen Sportart», sagte Ledecka im April anlässlich von FIS-Rennen in der Schweiz. Die Konkurrentinnen waren zu dem Zeitpunkt längst in den Ferien. Ledecka will auch künftig auf zwei Hochzeiten tanzen, denn «es wäre traurig, würde ich mich auf eine Sportart beschränken». Ihre Trainer hatten ihr das früh geraten. Sie wechselte aber nicht die Sportart, sondern die Trainer.

Ende Februar kehrte die Eishockey-Nati nach 3 Niederlagen in 4 Spielen als geprügelte Verliererin aus Pyeongchang zurück. Drei Monate später wurde sie mit Glanz und Gloria als WM-Silbermedaillengewinnerin gefeiert. Zuerst Deppen, dann Helden! Patrick Fischer, Trainer des Jahres, konnte das einfach erklären: «Wir sind Sportler, die versuchen, ihr Bestes zu geben. Manchmal klappt es, manchmal weniger.»

Die Olympischen Spiele und die WM deckten eine grobe Fehleinschätzung auf. Dass die NHL Olympia boykottierte, war für die Schweiz kein Vorteil. Erst im Frühling mit 11 NHL-Akteuren konnten die «Eisgenossen» die hohen eigenen Erwartungen erfüllen. So gesehen war das Silber von Kopenhagen auch ein Produkt günstiger Umstände. Ohne Roman Josi, Mirco Müller, Nino Niederreiter, Kevin Fiala und Konsorten wird es schwieriger. Deshalb wäre es vermessen, regelmässig Schweizer Medaillen zu erwarten. Der Zufall spielt mit.

Aber: Das Nationalteam hat bewiesen, dass es für den grossen Coup bereit ist. «Als wir vor drei Jahren vom Weltmeistertitel sprachen, lachten mir alle ins Gesicht», so Fischer. «In Kopenhagen fehlte zu Gold ein einziger Penalty». Patrick Fischer ist kein Träumer mehr.

Im Frühjahr wurde YB erstmals seit 1986 Schweizer Meister. Marco Wölfli (36), der Meister-Goalie, kriegt immer noch Hühnerhaut, wenn er an den 28. April zurückdenkt. Damals sicherten sich die Young Boys mit einem 2:1 über Luzern auch rechnerisch den Titel. Und Wölfli sagte: «Wenn man schon mal ein Märchen schreibt, dann doch gleich richtig.»

Vor 20 Jahren wechselte Wölfli zu YB. Er schaffte es bis zur Nummer 2 in der Nationalmannschaft und wurde auch mit YB nie Erster. Wölfli verlor zwei Cupfinals, zwei Finalissimas in der Meisterschaft und vor fünf Jahren auch bei den Young Boys nach einer Achillessehne-Verletzung den Job der Nummer 1. Im Januar 2018 verletzt sich aber David von Ballmoos an der Schulter. YB führte mit 2 Punkten Vorsprung auf Basel die Tabelle an. Mit Goalie Wölfli stürmte YB zum Titel.

Am 28. April waren die Young Boys gefühlt schon lange Meister, nur die rechnerische Bestätigung fehlte noch. Über 31'000 kamen, um gegen Luzern den Titel zu feiern. Weil Wölfli beim Stand von 1:1 einen Penalty hielt und Jean-Pierre Nsamé kurz vor Schluss das 2:1 schoss, stieg die Party. Im Herbst hütete Wölfli auch bei allen vier Punktgewinnen in der Champions League das YB-Tor.

YB wäre auch ohne Wölfli Meister geworden. Jetzt wieder mit David von Ballmoos im Tor beträgt der Vorsprung Ende Jahr auf die Verfolger schon 19 und nicht mehr nur 2 Punkte. Aber dank Wölfli freute sich im letzten Frühling auch die Konkurrenz und fast die ganze Schweiz über den ersten Meistertitel von YB seit 32 Jahren.

Beginnen wir mit Vladimir Petkovics letztem Statement vor den Medien in diesem Jahr: «Für mich war 2018 ein gutes Jahr.»

Die Resultate der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft gaben Petkovic Recht. Die Schweiz war die Nummer 6 der Welt und steht derzeit in der Weltrangliste auf Platz 8. In 32 Pflicht-Länderspielen resultierten in der Ära Petkovic nur 4 Niederlagen. Die Schweiz erreichte an der WM in Russland in der schweren Gruppe mit Brasilien (1:1), Serbien (2:1) und Costa Rica (2:2) die Achtelfinals.

Den Achtelfinal verlor die Schweiz gegen Schweden aber nach kläglicher Leistung 0:1. Wieder versagten die Schweizer im entscheidenden Moment. Die Stimmung kippte. Plötzlich war um das Nationalteam herum alles schlecht, wobei Verband und Protagonisten mit dümmlichen Aktionen (Doppeladler-Torjubel, Interview «Wollen wir noch Doppelbürger?», ausgebliebene WM-Bilanz, Rücktritt Behrami) den Kritikern massenhaft Nahrung gaben. Für Petkovic waren diese Wochen im Rückblick «das organisierte Chaos».

Aber: Der Nationaltrainer überstand das Unwetter. Die Perspektiven für die Nationalmannschaft sind wieder vielversprechend. Die Versöhnung mit den Fans erfolgte in den ersten Pflicht-Heimspielen nach der WM: Die Schweiz besiegte mit begeisternden Auftritten Island (6:0) und Belgien (5:2) und spielte sich in der neuen Nations League unter die besten vier Nationen Europas - ein Zeichen noch viel stärker als der Doppeladler.

veröffentlicht: 31. Dezember 2018 11:43
aktualisiert: 31. Dezember 2018 12:32
Quelle: SDA

Anzeige
Anzeige