Bernie Ecclestone nicht mehr Formel-1-Chef

23.01.2017, 22:50 Uhr
· Online seit 23.01.2017, 20:49 Uhr
Bernie Ecclestone ist nicht mehr Geschäftsführer der Formel 1. Der 86-Jährige musste nach dem Verkauf der Rennserie an das US-Unternehmen Liberty Media nach fast 40 Jahren seinen Posten räumen und wurde durch Chase Carey setzt, wie der neue Besitzer am Montagabend mitteilte.
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Der Amerikaner Chase Carey ist ein ehemaliger TV-Direktor. Ecclestone, der Ende der Siebzigerjahre die TV- und Vermarktungsrechte der Formel 1 gekauft und damit für den Grundstein seines milliardenschweren Imperiums gesorgt hatte, ist nach eigenen Angaben nun «eine Art Ehrenpräsident. Ich führe diesen Titel ohne zu wissen, was er bedeutet».

Es hatte sich abgezeichnet und angedeutet. Das, was sich die Formel 1 trotz nicht weniger Skandale Ecclestones praktisch nie hatte vorstellen können. Gut zwei Monate vor dem Saisonauftakt am 26. März im australischen Melbourne gibt es eine Formel 1 ohne Bernie Ecclestone. Schon beim Kauf der ersten Anteile durch den neuen Besitzer sei er nicht gefragt worden, hatte Ecclestone vor Monaten beklagt. Jetzt hat Ecclestone offensichtlich gar nichts mehr zu melden.

«Meine Tage im Büro werden jetzt etwas ruhiger», sagte er «auto-motor-und-sport.de». «Vielleicht komme ich auch mal zu einem Grand Prix. Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1. Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können.»

In der vergangenen Woche hatten die Aktionäre von Liberty Media dem Kauf der Mehrheitsanteile an der Rennserie zugestimmt. Anschliessend erteilte auch der Weltverband FIA Grünes Licht für die Übernahme. Nur die EU-Wettbewerbshüter könnten das Geschäft noch stoppen.

Insgesamt soll Liberty Media für die Mehrheit an der Königsklasse des Motorsports 4,4 Milliarden Dollar zahlen. Zudem sollten Schulden von 4,1 Milliarden Dollar übernommen werden. Der Liberty-Anteil soll auf 35,3 Prozent wachsen, das Stimmrecht vollständig beim amerikanischen Konzern liegen. Bisheriger Hauptgesellschafter war seit 2005 das Finanzunternehmen CVC, das Ecclestone als Geschäftsführer eingesetzt hatte.

Ein konkretes Zukunftskonzept der neuen Formel-1-Lenker ist noch nicht bekannt. Auch die meisten anderen Vorstände im Formula One Management (FOM) sollen Medienberichten zufolge ihre Positionen verlieren. Für die Vermarktung ist der ehemalige Chef des US-Sportsenders ESPN, Sean Bratches, im Gespräch, für den Sport soll der einstige Ferrari- und Mercedes-Teamchef Ross Brawn künftig zuständig sein.

Ecclestone nahm zuletzt in erster Linie über die Vermarktung Gelder ein, hinzu kamen die Gebühren von den Rennstreckenbetreibern. Andere Bereiche wie soziale Medien oder den Verkauf von TV-Rechten hatte Ecclestone gar nicht oder nur unzureichend beachtet. Als «dysfunktional» soll der neue starke Mann Carey laut BBC das Modell bezeichnet haben. Auch Ecclestones Führungsstil erscheint anachronistisch. Der Brite herrschte und entschied allein, Demokratie war nicht sein Ding. Nun wurde er selbst offensichtlich ohne zu fragen abgesetzt.

Bernard Charles ECCLESTONE, geboren am 28. Oktober 1930 in London

1950: Start als Fahrer in einem Rahmenrennen eines Formel-1-Grand-Prix

1958: im eigenen Wagen scheitert er bei den Qualifikationen für die Formel-1-Rennen in Monte Carlo und Silverstone

1958 bis 1959: Manager von Formel-1-Pilot Stuart Lewis-Evans (1959 tödlich verunglückt)

1966 bis 1970: Manager von Formel-1-Pilot Jochen Rindt (1970 tödlich verunglückt)

1971 bis 1987: Besitzer des Brabham-Rennstalls (Weltmeister 1983/Nelson Piquet)

1971: Ecclestone ist für den Zusammenschluss aller Formel-1-Teams verantwortlich (Formula One Constructors Association)

1977: Ecclestone kauft die Werberechte

1978: Ecclestone kauft die TV-Rechte

2000: Ecclestone verkauft Dreiviertel der SLEC (die Kürzel stehen für seine damalige Frau Slavica Ecclestone) Holding Ltd. an EM.TV

2005/6: Verkauf der Formel 1 an den britischen CVC Capital Partners

seit 2006: als Geschäftsführer Formel 1 von CVC eingesetzt

23. Januar 2017: abgesetzt als Geschäftsführer der Formel 1 durch den neuen Besitzer Liberty Media

Bernie Ecclestone hat einen eigenwilligen Humor, vor allem aber auch eine umstrittene Meinung zu politischen Angelegenheiten. Ein Auszug:

«Bin einfach weg.»

(Bernie Ecclestone zu «auto-motor-und-sport.de» zu seinem Ende als Formel-1-Chef)

«Ich denke, mit Demokratie bringt man den Laden nicht zum Laufen.»

(Ecclestone über sein Geschäftsprinzip)

«Ich denke, jeder, der wirklich über Menschenrechte reden möchte, sollte vielleicht mal nach Syrien gehen.»

(Ecclestone bei einem Formel-1-Rennen in Bahrain und der Kritik an der dortigen Menschenrechtssituation)

«Super. Ich bin sein grösster Fan.»

(Ecclestone über Wladimir Putin)

«Was ist etwas wert? Wissen Sie, ich habe immer gedacht, dass die Leute manche Werte in der Welt nicht kennen. Es ist daher die Frage, was jemand bereit ist zu zahlen.»

(Ecclestone über Werte)

«Alles, was ich weiss, ist: Ich bin unschuldig!»

(Ecclestone vor dem Prozess in München um Bestechungsvorwürfe beim Verkauf der Formel-1-Rechte 2006)

«Ich werde der Auflage nachkommen, so dass ich leider die Herren und Damen nicht mehr persönlich wiedersehen werde.»

(Ecclestone nach der Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 100 Millionen Dollar)

«Ich denke, wenn die Leute 100 werden, dann sollten sie anfangen, über die Pension nachzudenken. Ich bin da aber nicht sicher.»

(Ecclestone vor seinem 80. Geburtstag)

«Wenn ich mitten in einem Grand Prix sterben würde - kein Problem! Mir wäre aber lieber, wenn es erst nach dem Zieleinlauf passiert.»

(Ecclestone über den Tod)

«Am Morgen nach meinem Tod - und die ersten zwölf Exemplare gehen ans Finanzamt.»

(Ecclestone auf die Frage, wann seine Autobiografie erscheint)

«Ich würde versuchen, eine 18-jährige Freundin zu finden.»

(Ecclestone auf die Frage, was er machen würde, wenn er noch mal 22 Jahre alt wäre)

«Ich würde auch als Blumenhändler versuchen, so gut wie möglich abzukassieren. Doch mein Herz hängt am Motorsport.»

(Ecclestone zum selben Thema)

«Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, sondern wir sind die Mafia.»

(Ecclestone über seine langjährige Zusammenarbeit mit dem damaligen ehemaligen Weltverbandschef Max Mosley)

«Warum sollte ich Bodyguards nehmen? Von der einzigen Person, die mich unter Druck setzt, bin ich jetzt geschieden.»

(Ecclestone in Anspielung auf die Trennung von seiner Frau Slavica)

«Ich liebe es, nach Japan zu fliegen! Dort sind alle so gross wie ich.»

(Ecclestone vor einer Reise zum Japan-Grand-Prix)

«Das einzig Gute an Olympia ist die Eröffnungs- und die Schlussfeier. Das ist eine tolle Show. Ansonsten ist es völliger Quatsch.»

(Ecclestone zu den Olympischen Spielen 2012 in seiner Heimatstadt London)

veröffentlicht: 23. Januar 2017 20:49
aktualisiert: 23. Januar 2017 22:50
Quelle: SDA

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