FC St.Gallen

Bube, Dame, König Sutter

08.01.2020, 16:36 Uhr
· Online seit 01.05.2018, 06:15 Uhr
Sportchef Alain Sutter hält beim FC St.Gallen alle Trümpfe in der Hand. Die Rolle des starken Mannes hat er bislang mit klugen Entscheidungen gerechtfertigt. Sie birgt für Sutter aber auch ein grosses Risiko, schreibt Sportjournalist und TVO-Moderator Dominic Ledergerber.
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Es gibt diese eine Regel, die den Fussball so wunderbar einfach macht: Der Gewinner hat alles richtig, der Verlierer alles falsch gemacht. Eine Erkenntnis, die nicht aus St.Gallens uninspirierter 1:2-Pleite vom Sonntag in Lugano resultiert, im Cornaredo aber ein weiteres Mal eindrücklich unterstrichen wurde.

Hätten die Espen das erste Spiel unter Interimstrainer Boro Kuzmanovic gewonnen, würde Sportchef Alain Sutter in den Gazetten für seinen Mut und seine Konsequenz bewundert, Ex-Coach Giorgio Contini fünf Runden vor Schluss freizustellen. So aber wird dieser Schritt wenngleich nicht überall kritisiert, so doch zumindest kritisch hinterfragt.

 

Sutters Position ist noch stärker geworden.

Was genau dem Zerwürfnis zwischen Sutter und Contini zugrunde liegt, darüber schweigen beide Parteien eisern. Denkbar, dass ein Zwischenfall das berühmte Fass zum Überlaufen brachte. Möglich, dass Contini seinen Abgang mit öffentlichen Sticheleien gegen den Sportchef provozierte. Vorstellbar, dass die unterschiedliche Auffassungen, wie Fussball zu spielen sei, einer weiteren Zusammenarbeit die Basis entzog. Wir wissen es nicht. Und das müssen wir auch nicht.

Sutter ist der starke Mann

Klar ist, dass Alain Sutters Position nach dem gewonnenen Machtkampf noch stärker geworden ist. Damit steigt aber zwangsläufig auch das Risiko, welchem sich der Sportchef aussetzt – schliesslich gibt er den Kurs vor, den die Mannschaft derzeit nicht zu halten imstande ist. Nach fünf Niederlagen aus den letzten sechs Partien riskiert der FCSG, sich spät um die Lorbeeren einer zwar wilden, aber doch erfolgreichen Saison zu bringen.

Um eines klarzustellen: Dass Alain Sutter beim FC St.Gallen alle Trümpfe in der Hand hält, hat durchaus seine Berechtigung. In der Ostschweiz stellt der ehemalige Nati-Star erstmals sein komplettes Fachwissen einem einzigen Klub exklusiv zur Verfügung. Und die Arbeit, die der 50-Jährige bislang leistet, darf sich sehen lassen: Die Transfers von Cedric Itten und Runar Sigurjonsson waren klug, weil sie die Mannschaft belebt haben. Die Integration von Jasper Van der Werff (19) in die erste Mannschaft erfolgte zum absolut richtigen Zeitpunkt. Zudem streifte Sutter eine für die Ostschweiz typische Zurückhaltung ab, in dem er selbstbewusst sagte: «Nur YB und Basel sind besser als wir.»

 

Keiner hat mehr zu verlieren als Sutter.

Mit der Freistellung Continis, die Sutter persönlich beim Verwaltungsrat anregte, trat der Sportchef endgültig den Beweis an, dass er beim FC St.Gallen der starke Mann ist. «Alain weiss ganz genau, was er will und er kann sich durchaus durchsetzen, auch wenn es nicht immer so wirkt», sagte Präsident Matthias Hüppi, Sutters langjähriger Kumpane, schon bei der Präsentation des Sportchefs im Januar.

Keiner hat mehr zu verlieren als Sutter

Sutters Wort hat nicht nur bei Hüppi sondern beim kompletten Verwaltungsrat Gewicht. Er ist es, der für das Gesicht der Mannschaft uns jenes des Staffs verantwortlich ist. Für den sportlichen Bereich trägt beim FC St.Gallen niemand mehr Verantwortung als Alain Sutter. Oder anders ausgedrückt: Für keinen steht bei den Espen mehr auf dem Spiel, keiner hat mehr zu verlieren.
Noch liegen die Ostschweizer nur einen Punkt hinter dem Dritten Luzern, noch sind es vier Punkte Vorsprung auf den FC Zürich und Platz fünf. Sollte die Massnahme Trainerwechsel jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielen und St.Gallen die europäischen Honigtöpfe doch noch verpassen, werden sich die Stimmen mehren, die den Kurs des Sportchefs kritisieren.

Alain Sutter ist sich dieser Ausgangslage durchaus bewusst. «Ich weiss, ich gehe volles Risiko. Und ich weiss auch, dass ich nicht alles richtig machen werde», sagte er unlängst gegenüber dem Tagblatt. Ob der Sportchef alles richtig gemacht hat, wird am 19. Mai die Abschlusstabelle der Super League offenbaren. Fussball ist so wunderbar einfach.

Eine Dezentralisierung der Macht

Noch immer ist offen, wer den FC St.Gallen als Trainer in die neue Spielzeit – und damit möglicherweise auch in die europäischen Abenteuer – führen wird. «Es muss ein Mensch sein, der andere Menschen gerne hat und ein pädagogisches Geschick mitbringt», sagte Alain Sutter kürzlich gegenüber TVO. Nicht mitbringen darf der neue Trainer allerdings einen Assistenten, wie es im Fussball vielerorts üblich ist. Dieser Posten wird mit Boro Kuzmanovic (55), dem jetzigen Trainer ad interim, schon besetzt sein. «Wir können es uns nicht leisten, bei jedem Trainerwechsel den kompletten Staff zu ersetzen», so Sutter. «Und überhaupt haben wir auch Physiotherapeuten und Goalie-Trainer, Talent-Manager und Konditionstrainer, die ihre Ansichten einbringen sollen.» Es ist eine Dezentralisierung der Macht – und doch laufen alle Fäden bei Sportchef Alain Sutter zusammen.

veröffentlicht: 1. Mai 2018 06:15
aktualisiert: 8. Januar 2020 16:36
Quelle: FM1Today

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