In den vergangenen beiden Wintern vermochte Dario Cologna sein Potenzial aufgrund muskulärer Probleme in der linken Wade nicht wie gewünscht abzurufen, entsprechend durchzogen fielen die Resultate im Vergleich mit den früheren, erfolgreichen Jahren aus. Vor dem Start in seine bereits zwölfte Weltcupsaison am Freitag in Kuusamo strahlt der Münstertaler Zuversicht und grosse Vorfreude aus, zumal er sich bislang auf einem sehr guten Weg sieht. Müsste Cologna seine Vorbereitung auf die anstehende Saison wie in der Schule bewerten, würde er dies mit der Note 5,5 tun.
Ein Höhentraining wie während der letztjährigen Vorbereitung hat der viermalige Gewinner des Gesamtweltcups diesmal nicht absolviert. Zwar fielen die vor einem Jahr erzielten Werte zufriedenstellend aus, allerdings haben sich diese nicht optimal auf die Leistung auf der Loipe übertragen. «Es hat nicht hundertprozentig gepasst. Nun wollte ich vor der Olympia-Saison das machen, auf was ich vertraue», so Cologna.
Vor dem Saisonhöhepunkt in Pyeongchang will der 31-Jährige Regenerations- und Trainingsphasen einbauen und stattdessen auf den einen oder anderen Weltcup-Einsatz verzichten. Nach der Tour de Ski Anfang Januar sind nicht mehr allzu viele Wettkämpfe geplant, zumal der Gesamtweltcup nicht sein primäres Ziel darstellt. Häufiger als zuletzt will Cologna zudem auf Sprintrennen verzichten. In dieser Disziplin klassierte er sich im laufenden Olympia-Zyklus, also seit der Saison 2014/15, in 18 Weltcup-Sprints lediglich sechsmal in den Punkterängen.
Mit dieser Massnahme will Cologna an den Weltcup-Wochenenden etwas Ruhe reinbringen und sein Leistungsasthma möglichst lange hinauszögern. Zwar behindert ihn das Asthma während eines Wettkampfs kaum, allerdings beeinträchtigt der Husten die Regenerations- und Vorbereitungsphase. Am Ende einer Tour de Ski hat ihm der Husten beinahe mehr zu schaffen gemacht als die Müdigkeit in den Armen und Beinen.
Cologna nimmt zum dritten Mal nach 2010 und 2014 eine Olympia-Saison in Angriff. «Im Vergleich zu früheren Winterspielen ist Routine da, man kennt alles. Die Vorfreude ist nach wie vor riesig.» Der Formaufbau ist selbstredend auf den Monat Februar ausgerichtet, wenn nicht nur für Cologna an den Winterspielen in Pyeongchang die mit Abstand wichtigsten Rennen der kurzen, aber sehr intensiven Saison anstehen.
«Ich muss mit dem Ziel in die Saison gehen, dort eine Medaille zu gewinnen.» Zunächst gelte es aber abzuwarten, wo er im Vergleich mit den internationalen Konkurrenten wirklich stehe. Dann könne er verbindliche, realistische Ziele formulieren. Cologna ist sich bewusst, dass an einen dreimaligen Olympiasieger wie ihn von aussen hohe Erwartungen herangetragen werden. «Wenn ich sagen würde, ich sei mit einem 7. Platz zufrieden, würde mir das niemand glauben.»
Die Motivation des Münstertalers ist ungebrochen - erst recht nach dem vergangenen Winter, als ihn wieder aufgetretene Probleme an der Wade in der Vorbereitung auf die WM in Lahti massgeblich beeinträchtigt hatten. «Wäre ich nicht mehr motiviert, Medaillen zu gewinnen, müsste ich darüber nachdenken aufzuhören.» Davon ist Cologna freilich weit entfernt. Darauf festlegen, ob er in Pyeongchang seine letzten Winterspiele bestreiten wird, will sich der beste Schweizer Langläufer aller Zeiten derzeit nicht.
Die Schweizer Langläufer verfügen seit vergangenem Sommer an ihrer Basis in Davos über ein neues Leistungszentrum, dessen Kernstück zwei moderne Laufbänder sind. «Diese erlauben es den Trainern, laufend und von jeder Seite her korrigierend eingreifen zu können», freut sich der Schweizer Disziplinenchef Hippolyt Kempf. Die technischen Stärken können besser herausgearbeitet, die Defizite wirkungsvoller behoben werden.
Die Pace wird vom Laufband vorgegeben. Dieses hilft, Übergänge und Streckenprofile, beispielsweise jene von Pyeongchang, zu trainieren. Mit den neuen Einrichtungen in Davos spielen die Schweizer Langläufer trainingsmässig in der obersten Liga mit. Beim Bestreben, die Technik der Läuferinnen und Läufer zu verbessern, konnte mehr Qualität und Effektivität ins Training gebracht werden.
An der Hierarchie innerhalb des Teams wird die deutlich verbesserte Infrastruktur freilich nichts ändern. Die öffentliche Wahrnehmung der Schweizer Langlauf-Equipe korreliert nach wie vor stark mit dem Abschneiden von Dario Cologna, jedoch nicht mehr fast ausschliesslich. Mit Nathalie von Siebenthal verfügt Swiss-Ski nicht erst seit deren 4. Platz im WM-Skiathlon von Lahti über eine der besten Distanzläuferinnen mit Jahrgang 1993 und jünger. Macht die 24-jährige Berner Oberländerin in ihrer Entwicklung da weiter, wo sie im vergangenen Winter aufgehört hat, ist der erste Schweizer Weltcup-Podestplatz bei den Frauen seit 1987, der nicht von einer Sprinterin realisiert wurde, nur noch eine Frage der Zeit.
Trainiert werden Von Siebenthal und ihre Teamkolleginnen neu von Peter von Allmen. Nach dem Rücktritt von Chefcoach Albert Manhart ist der 39-jährige Berner primär für die Trainingsgruppe der Frauen zuständig. «Er strahlt Ruhe aus. Ein ruhender Pol ist wichtig für das Team», so Kempf über seine Neuverpflichtung.
Von Allmen ist überzeugt, dass Von Siebenthal in der klassischen Technik einen weiteren Schritt nach vorne gemacht hat. Auch wurde viel an der Technik bei Geländeübergängen gearbeitet. Neben der Bernerin sind Nadine Fähndrich und Laurien van der Graaff für die Olympia-Staffel in Pyeongchang gesetzt.
Vom Männer-Team trat im vergangenen Winter Jason Rüesch neu ins Rampenlicht. Der 23-jährige Davoser überzeugte als Startläufer der Schweizer WM-Staffel ebenso wie als 15. über 15 km Skating beim Weltcup in Ulricehamn. Nicht zuletzt dank Rüesch bieten sich den Schweizern im Hinblick auf Staffel-Rennen komplett neue taktische Möglichkeiten, was die Aufstellung betrifft.
International wird interessant zu beobachten sein, ob und wie der rasante Aufstieg von Johannes Hösflot Klaebo, dem Shooting-Star der vergangenen Saison, weitergeht. Der 21-Jährige war vor einem Jahr höchstens Insidern ausserhalb Norwegens ein Begriff gewesen. Nicht erst seit seinen drei Weltcupsiegen und WM-Bronze im Sprint wird ihm zugetraut, dereinst zum dominierenden Langläufer im Weltcup aufzusteigen.
Marit Björgen, wie Klaebo aus Trondheim stammend, hat bei den Frauen die Rolle der Dominatorin - abgesehen von ihrer Babypause - seit Jahren inne. Daran dürfte sich auch in diesem Olympia-Winter nichts ändern. Die 37-Jährige strebt in Pyeongchang an, zum fünften Mal in Folge an Winterspielen olympisches Edelmetall zu erringen.