Corinne Schmidhauser: «IOC steht vor einer Nagelprobe»

19.07.2016, 06:21 Uhr
· Online seit 18.07.2016, 23:00 Uhr
Corinne Schmidhauser, die Präsidentin von Antidoping Schweiz, spricht von einer Nagelprobe, die nach der Veröffentlichung des McLaren-Berichts auf das Internationale Olympische Komitee zukommt.
Raphael Rohner
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Bis jetzt stand der Leichtathletikverband im Vordergrund – «jetzt steht ein ganzes Land im Fokus, da muss sich das IOC äussern» (Schmidhauser). Allerdings glaubt die ehemalige alpine Skirennfahrerin nicht, dass das IOC alle russischen Sportler mit einem Bann belegt: «Ich fände den Gesamtausschluss zwar ein starkes Signal für den sauberen Sport. Aber der Zeithorizont scheint mir extrem kurz.»

Schmidhauser glaubt auch, dass es wichtigere und vor allem langfristige Konsequenzen geben muss als den unmittelbaren Ausschluss. Damit sei noch kein Problem gelöst: «In Russland ist es offenbar der Staat, anderswo sind es die nationalen oder internationalen Verbände, welche sich um die Dopingproblematik foutieren. Es ist dringend notwendig, dass man den Kampf gegen Doping unabhängiger macht. Unabhängiger von Staaten und Verbänden. Das Gewicht muss bei den unabhängigen nationalen und internationalen Agenturen liegen. Dazu muss man aber eben auch die WADA anders zusammensetzen: eben gerade nicht nur mit Regierungs- und Verbandsvertretern!»

In jedem Fall müsse das IOC nun eine klare Sprache reden. «Wenn man das Gesamtbild des Sports anschaut, ist klar: Man muss etwas machen», sagte Schmidhauser. «Der Sport steht in Sachen Glaubwürdigkeit vor dem Abgrund.» Sie gehe davon aus, dass das IOC einen Plan habe. Russland sei zwar wohl nicht der alleinige Sündenbock im Sport. «Aber wenn ich bei Rot über die Kreuzung fahre und gebüsst werde, kann ich auch nicht sagen, das machen andere auch... ich muss meine Busse zahlen», so die Stadtbernerin.

Schmidhauser, im Winter 1986/87 Siegern der kleinen Kristallkugel im Slalom, kann sich in die Gefühlslage von Sportlern versetzen, die ausgeschlossen werden. «Als Athlet ist das eine ganz schwierige Situation.» Allerdings trete man an Olympischen Spielen immer als Vertreter eines Landes an: «Wenn England aus der EU geht, müssen auch alle Engländer gehen. Man tritt in Rio unter der Flagge seines Landes an, auch wenn dies aus Sicht des Sportlers für einmal eine unschöne Komponente hat.»

veröffentlicht: 18. Juli 2016 23:00
aktualisiert: 19. Juli 2016 06:21
Quelle: SDA

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