National League

Das Scheitern des SC Bern ist ein Absturz mit Ansage

· Online seit 16.03.2022, 10:31 Uhr
11. Rang - so schlecht war der grosse SC Bern seit seinem Wiederaufstieg in die NLA noch nie. Nun muss er die Weichen richtig stellen, wenn er wieder zu einer Macht im Schweizer Eishockey werden will.
Anzeige

«Tiefpunkt», «Pre-Playoffs nicht verdient» und «für Bern inakzeptabel» - eines kann man den Protagonisten des SC Bern nicht vorwerfen. Das Desaster mit dem Verpassen des 10. Platzes wird nicht schön geredet. Aber werden auch die richtigen Lehren aus dem stetigen Niedergang des stolzen SCB gezogen?

Satte zehn Punkte Vorsprung auf den ewigen Underdog Ambri-Piotta verspielten die Berner in den letzten zehn Tagen der Meisterschaft. Doch so richtig überrascht kann vom Out vor den Playoffs keiner sein. «Das war das dritte Jahr hintereinander eine durchzogene, ja schlechte Regular Season», stellte der im letzten Frühling geholte Super-Sportchef Raeto Raffainer beim SRF fest.

In Zahlen liesst sich das so: 2019 noch Meister, dann 9., 9. und jetzt 11. - gerade noch besser als die weit abgeschlagenen SCL Tigers und Ajoie.

Bitterer Flug auf den Boden

«Das ist für Bern inakzeptabel», stellt Captain Simon Moser, eine der Identifikationsfiguren, fest. «Das war ein bitterer Flug bis auf den Boden. Jetzt sind wir am Tiefpunkt, es braucht einen Neuanfang.» Der SC Bern ist nicht der erste Erfolgsklub, der diesen Neuanfang verpasste. Zu lange konnte man sich auf einen Kern an Leistungsträgern verlassen, zu lange wurde die Blutauffrischung im Kader hinausgezögert - auch wegen langfristig gültigen Verträgen.

Das machte diese Saison besonders anspruchsvoll. Denn nun laufen elf Verträge aus. Es ist die Chance für einen Umbruch, war aber auch eine konstante Quelle der Unruhe rund um die Mannschaft. Viele Spieler wussten früher oder später, dass sie im Verein keine Zukunft haben.

Auch aus dem Inneren des Teams kam immer wieder die Aussage: «Es kämpfen nicht alle bis zum Letzten.» Das Feuer, das Ambri-Piotta mit den Leventiner Ur-Gesteinen Luca Cereda als Coach und Paolo Duca als Sportchef auch in scheinbar aussichtsloser Lage antrieb, war in Bern nie zu spüren.

Fans wendeten sich ab

Am Ende wendeten sich auch die treuen, aber verwöhnten Fans immer mehr ab. Offiziell verlor der SCB im Vergleich zur Vor-Corona-Saison fast 2900 Zuschauer pro Spiel, in Wahrheit dürften es noch mehr gewesen sein, da viele Saisonkarten-Besitzer zwar ihren Obolus entrichteten, oft aber keine Lust mehr auf die Matches hatten.

Das reisst auch ein tiefes Loch in die Einnahmen aus dem Gastro-Geschäft, von dem der SCB so abhängig ist wie kein anderer Schweizer Klub.

Wenn nicht mal Siege genügen

Der Fall vom Dominatoren zur Lachnummer, die mehr Schadenfreude als Neid weckt, ist tief - und zu einem grossen Teil auch selbstverschuldet. In der Hybris des von Erfolg zu Erfolg eilenden Giganten waren Siege auch der Führung um CEO Marc Lüthi nicht mehr genug. Die Mannschaft sollte nicht nur nüchtern gewinnen wie unter dem kühlen, aber zielstrebigen Finnen Kari Jalonen, sondern bitteschön auch noch attraktiv spielen. Nun fehlt beides: der Erfolg und das Spektakel.

Im Unterschied zu Ambri fehlten in Bern die Emotionen je länger je mehr fast gänzlich. Nie war dies deutlicher zu sehen als in der drittletzten Runde, als die Tessiner den SCB in dessen Halle mit 5:1 vom Eis fegten. Bereits ein Punkt hätte den Bernern gereicht, um das Minimalziel Pre-Playoffs zu erreichen.

Chance für Neuanfang

«Wir müssen nun alles aufarbeiten», betont Raffainer. «Das ist jetzt die Büez von mir und meinem Sportchef. Seit dem Sommer war alles ein Knorz.» Auf dem Prüfstand steht auch der Trainer Johan Lundskog, den der SC Bern wie Raffainer vom (Playoff-Viertelfinalisten) HC Davos abgeworben hatte, der aber in der Mannschaft weder ein Feuer entfachen noch ihr ein klares Konzept verpassen konnte. Nun haben Raffainer und Sportchef Andrew Ebbett nun die Chance, die Mannschaft nach ihrem Gusto umzubauen.

Mit Joël Vermin, Romain Loeffel, Chris DiDomenico, Marco Lehmann und Jesse Zgraggen stehen fünf bestandene Neuzuzüge fest. Kein gutes Händchen hatten Raffainer, Ebbett und ihre Vorgänger nicht zuletzt mit den Ausländer-Positionen. Einzig der NHL-erfahrene Dominik Kahun genügte höheren Ansprüchen.

Ob der Deutsche aber bleibt oder nochmal einen Anlauf in der NHL nimmt, lässt er offen. «Wir haben Junge, die ihren Job sehr gut machten. Das ist positiv für die Zukunft», sagte er bei der Ehrung der PostFinance-Topskorer immerhin. Und er betonte: «Hätten wir es in die Pre-Playoffs geschafft, hätte alles wieder bei null angefangen.»

Weiter nach unten geht eigentlich nicht

Vielleicht ist es aber für den SCB sogar ein Segen, dass nun der Totalabsturz die Notwendigkeit für Veränderungen auch dem allerletzten klar macht. Zwei Zahlen zeigen die Malaise überdeutlich: In den drei Saisons 2016 bis 2019 gewann Bern 147 Spiele und verlor deren 73. In den letzten drei Jahren lautet die Bilanz 73:101.

Fast hat man das Gefühl, man hat sich in Bern an die vielen Niederlagen gewöhnt. Der Vorteil: Vom Tiefpunkt geht es nicht mehr weiter nach unten. Noch eine solche Saison verträgt es beim SCB aber nicht mehr.

veröffentlicht: 16. März 2022 10:31
aktualisiert: 16. März 2022 10:31
Quelle: sda

Anzeige
Anzeige