Die Marathonläufer erwischten für ihren Wettkampf den bestmöglichen Tag dieser Weltmeisterschaften. Die Hitze war um Mitternacht erträglich und die Luftfeuchtigkeit geringer als üblich. Somit büssten die Athleten im Schnitt nur 5 Minuten auf ihre Bestzeit ein und nicht deren 13 wie noch die Frauen vor Wochenfrist. Abraham hätte im Vorfeld nicht gedacht, dass er bereits nach 2:11:58 Stunden die Ziellinie überqueren würde.
Der gebürtige Eritreer nahm das Rennen wohl mit einer zu defensiven Taktik in Angriff. Die Ausfallquote betrug nur 25 Prozent, bei den Frauen hatte noch die Hälfte aufgegeben. Bereits das Anfangstempo im Feld war höher, als sich dies der Olympia-Siebente von Rio 2016 ausgemalt hatte. Abraham nahm die Pace zwar auf, rückte aber nicht von seinem Plan ab. Zwischen Rennhälfte und Kilometer 25 formierten sich kleinere Gruppen. Der Schweizer büsste in dieser Phase zusätzlich 30 Sekunden ein. «Ich wollte das Risiko nicht eingehen», schilderte der Halbmarathon-Europameister diese Phase des Rennens. Mit Zwischenrang 16 lag er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Minute im Hintertreffen.
Der EM-Zweite von Berlin 2018 zog seinen Rhythmus durch und wurde dafür belohnt. Bei Kilometer 40 betrug der Rückstand auf die Spitze als Neunter lediglich 46 Sekunden. Als die Besten um den Sieg kämpften, büsste er dann noch etwas Zeit ein. Im Ziel lag er 1:18 Minuten hinter dem äthiopischen Sieger Lelisa Desisa, der in 2:10:40 Stunden vor Landsmann Mosinet Geremew (2:10:44) und dem Kenianer Amos Kipruto (2:10:51) triumphierte. Abraham war hinter dem viertklassierten Briten Callum Hawkins (2:10:57) der zweitbeste Europäer.
«Ich hätte es lieber heisser und feuchter gehabt. Das hätte meine Chancen erhöht», sagte Abraham. Er glaubt, die Schweizer Equipe hätte dank ihrer guten Vorbereitung im Kampf gegen Hitze und Feuchtigkeit gegenüber anderen Nationen ein Vorteil gehabt. Allerdings hätte der Schweizer den angepeilten Kampf um die Medaillen auch bei mörderischen Bedingungen oder mit einer offensiveren Taktik kaum aufnehmen können. Die Blick auf die Bestzeiten der Podestläufer zeigt, dass diese über das grössere Potenzial verfügen. «Zufrieden bin ich nicht, aber ich muss es sein, weil ich alles gegeben habe», zog Abraham Bilanz.