«Eltern gehen oft aufeinander los»

31.10.2018, 06:06 Uhr
· Online seit 31.10.2018, 05:54 Uhr
Ist die Gewaltbereitschaft bei Eltern und Junioren gestiegen? Oder wie lassen sich Vorkommnisse wie letzten Samstag in Vaduz erklären? Wir haben bei einem Juniorentrainer nachgefragt.
René Rödiger
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Am Samstag sind beim Spiel der Junioren des FC Vaduz gegen den FC St.Otmar Eltern auf gegnerische Spieler losgegangen. Das Spiel musste abgebrochen werden (FM1Today berichtete). Ist dieser Vorfall nur eine Ausnahme? Oder herrscht im Juniorenfussball ein raueres Klima? Wir haben bei Felix Mätzler nachgefragt. Er ist D-Juniorentrainer und Medienverantwortlicher beim SC Brühl.

Herr Mätzler, was sagen Sie zum Gewaltausbruch vom Wochenende?

Felix Mätzler: Da kann ich nicht viel dazu sagen. Ich habe die Medienberichte gelesen.

Aber haben Sie schon einmal von einem vergleichbaren Vorfall gehört?

Solche Fälle kommen immer wieder vor. In der Schweiz hört man ungefähr im Zwei-Wochen-Rhythmus, dass Jugendliche oder Eltern aufeinander los gehen.

Ist die Gewaltbereitschaft gestiegen?

Das kann ich so nicht sagen, da ich keine empirischen Daten habe. Ich glaube, die Gewaltbereitschaft bleibt etwa gleich. Gestiegen ist die Härte der Gewalt.

Der Trainerjob tönt gefährlich.

Ich bin seit 15 Jahren Trainer und hab es noch nie gefährlich erlebt. Meiner Meinung nach ist die heutige Jugend einfacher zu trainieren als noch vor 10 oder 15 Jahren.

Was hat sich geändert?

Damals gab es viele Kinder und Jugendliche, die durch den Balkankonflikt traumatisiert waren. Stichwort: Vaterlos. Entsprechend waren sie anmassender oder schlechter integriert. Das gibt es auch heute noch teilweise, aber schon viel seltener. Es ist praktisch kein Thema mehr.

Wenn es so einen gewaltbereiten Spieler gibt, lassen sich die Teamkollegen anstecken?

Das kann man nicht generell sagen. Man sagt immer, dass ein Team auch ein Spiegel des Trainers ist. So, wie sich eine Mannschaft auf dem Platz verhält, geht auch der Trainer mit den Junioren um.

Konkret?

Es gibt Junioren, die sind absolut cool. Die lassen sich nie provozieren. Da weiss man, dass der Trainer wohl auch so ist und einen «achtungsvollen» Umgang pflegt. Und dann gibt es solche, die sofort ausflippen. Die haben einen Trainer, der die Junioren nicht im Griff hat. Wahrscheinlich pflegt er auch einen entsprechenden Umgang mit ihnen.

Das heisst, dass die Trainer vom Wochenende in Vaduz die Spieler nicht im Griff hatten?

Das würde ich nicht behaupten. Je älter die Spieler werden, desto schwieriger wird auch die Kontrolle. Sie sind dann in der Pubertät. Da ist das Testosteron manchmal auch ein bisschen hoch dosiert. Das haben wir bei Brühl auch. Die flippen halt mal aus. Entscheidend ist, dass man Mechanismen hat, diese Spieler und Eltern wieder auf ein normales Niveau zu bringen. Aber dass jemand mal ausrastet, nervtötend oder mühsam ist, kann dem besten Trainer passieren.

Kann oder muss der Verein eine Erziehungsrolle übernehmen?

Meine persönliche Meinung: Ich erziehe gar niemanden. Die Jungen kommen zu uns, um zu tschutten. Wir sind weder eine Erziehungsanstalt noch eine Schule. Wir bieten ein Freizeitangebot. Aber wir haben auch Regeln. Wer sich daran hält, ist willkommen.

Und wer sich nicht daran hält?

Mit dem wird zuerst die Diskussion gesucht. Kommt es öfters vor, muss man halt auch mal sagen: «Du bist hier fehl am Platz.» Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.

Gibt es auch konkrete Massnahmen gegen die Eltern?

Es gibt die Organisation «Sport vereint», die verleihen ein Label. Dazu gehört auch, dass man im Klub eine Stelle gegen Gewalt hat. Wir würden in einem solchen Fall sicher diese Stelle bemühen und würden über Sanktionen gegen die Junioren oder auch die Eltern beraten. Bei uns ist es zum Beispiel schon vorgekommen, dass wir gegen Eltern ein Stadionverbot für ein Jahr ausgesprochen haben.

Der Druck von Seiten der Eltern auf den Trainer wird damit sicher auch nicht weniger.

Wenn man eine Ausbildung als Trainer macht, wird einem beigebracht, dass die Eltern das sind, was bei den Profis die Medien sind. Sie wollen dich schwächen, abschiessen und sagen, dass du nicht mehr an die Seitenlinie gehörst. Sie wollen dem Trainer diktieren, wer spielen und wer besser auf der Ersatzbank bleiben soll. Ein bisschen wie es der «Blick» bei der Nationalmannschaft macht. Ja, wir haben häufig Eltern, meist Väter, die meinen, sie könnten entscheiden, wo ihr Sohn zu spielen hat. Natürlich nie in der Verteidigung sondern immer als Mittelstürmer.

Was macht ein Trainer dann?

Da ist es auch der Job des Trainers, dem Einhalt zu bereiten. Wir legen die Regeln fest und wir entscheiden, wie wir spielen. Wenn das jemandem nicht passt, kann er den Verein wechseln.

(Interview: René Rödiger)

veröffentlicht: 31. Oktober 2018 05:54
aktualisiert: 31. Oktober 2018 06:06

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