Das Städtchen gäbe die perfekte Kulisse ab für die Bretagne-Krimis um Kommissar Georges Dupin von Bestseller-Autor Jean-Luc Bannalec. Malerisch, ein wenig verschlafen, ein bisschen gespenstisch auch. Hier bereitet sich die albanische Mannschaft seit Montag auf das EM-Startspiel vom Samstag gegen die Schweiz vor. Trainer Gianni de Biasi hat Perros-Guirec ausgewählt, weil es hier «ruhig und klimatisch angenehm» sei.
In beiderlei Hinsicht hat der Italiener Recht bekommen. Das Thermometer klettert in diesen Tagen kaum über 20 Grad. Während des Trainings wechseln sich Sonnenschein und Wolken ab, sogar eine kleine Nebelbank zieht auf. Kaum vorstellbar, dass die EM-Teams im Süden bei 30 Grad oder mehr schwitzen.
Ruhig ist es in Perros-Guirec ebenfalls. Man kann sich ausmalen, dass es hier im Juli und August lauter wird, wenn alle Hotelzimmer und alle Ferienwohnungen belegt sind. Doch Anfang Juni schlendern nur ein paar Rentner durch das Zentrum oder spazieren hoch über dem Meer dem «Sentier des Douaniers» entlang, der die einzelnen Ortsteile verbindet.
Im Zentrum ist auch wenig zu sehen von der Präsenz des albanischen Teams. Ein paar Geschäfte haben kleine albanische Flaggen ins Schaufenster gestellt. Der Bücherladen hat das albanische Symbol auf ein paar rote A-4-Blätter kopiert und diese ans Fenster geklebt, und das Kleidergeschäft für Übergrössen hat über den Eingang auf albanische geschrieben: Mirë se vini në Perros-Guirec! (Willkommen in Perros-Guirec)
In diesen äussersten nordwestlichen Zipfel Frankreichs sind keine albanischen Supporter gereist. Die zwei bis drei hundert Leute, welche die Trainings auf der kleinen Tribüne des «Stade Yves-Le Jannou» verfolgen, sind so etwas wie geliehene Fans. Schulkinder aus dem Ort, die sich für ein paar Tage für die «Federata Shqiptare e Futbollit» begeistern und sich ein paar schwarze Striche auf die Wangen gemalt haben. Diese sollten den albanischen Doppeladler darstellen.
Während die Fans aus Albanien gänzlich fehlen, hat sich von den Medien auch nur eine Handvoll nach Perros-Guirec begeben. Reporter von Printmedien sind nicht da. Die Zeitungen werden vom TV-Journalisten Endi Tufa mit Informationen versorgt. Er arbeitet für den albanischen Privatsender «Top Channel» und stellt an der Pressekonferenz alle Fragen. Das TV überträgt live nach Albanien, wo die Journalisten in den Radaktionsbüros sitzen und mitschreiben.
«Eine mehrwöchige Reportage im Ausland ist zu teuer für die Albaner. Auch die Medien sind von der schwachen Wirtschaft betroffen», so Tufa. «Für das Spiel werden ein paar anreisen. Aber über längere Zeit hier zu bleiben, ist unmöglich.» So bewegt sich das Team in einem durch und durch entspannten und lockeren Umfeld. Der Schweiz-Albaner Frédéric Veseli gibt selbst dann noch Interviews, als das Training längst begonnen hat. «Wo bist du gewesen, Fréd?», ruft De Biasis Assistent Paolo Tramezzani. Veseli zeigt auf die Journalisten. Tramezzani: «Aha, Interview, okay! Aber komm jetzt!»