EM 2021

Die Gruppe mit der unechten Revanche

08.06.2021, 09:18 Uhr
· Online seit 08.06.2021, 09:15 Uhr
Wenn England und Kroatien am 13. Juni im Wembley gegeneinander spielen, werden viele von einer Revanche des WM-Halbfinals 2018. Nach Papierform werden aber beide Teams weiterkommen.
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Die Revanche ist im Sport einer der am meisten strapazierten und am inflationärsten verwendeten Ausdrücke. Ganz Fussballdeutschland sprach von Revanche, von Rache, von Wiedergutmachung, als es keine drei Monate nach dem mit 0:2 verlorenen EM-Final 1992 erneut gegen Dänemark antrat und in diesem kurzfristig erzwängten «Freundschaftsspiel» in Kopenhagen 2:1 siegte. Das Mütchen war gekühlt, und dennoch durften sich die Dänen vier Jahre lang Europameister nennen.

Man kann sich nur mit Gleichem für Gleiches tatsächlich revanchieren. Die Revanche zwischen England und Kroatien zum WM-Halbfinal 2018, den die Kroaten 2:1 nach Verlängerung gewannen, wird stattfinden, wenn die beiden Mannschaften an der EM den Final gegeneinander bestreiten werden. Wenn sie als Erster und Zweiter der Gruppe weiterkommen, können sie nicht schon im Halbfinal aufeinandertreffen. Engländer wie Kroaten haben das Rüstzeug, um unter die letzten vier zu kommen. Dass sie in der Gruppe D, der auch Tschechien und Schottland angehören, die ersten zwei Plätze belegen werden, erscheint wahrscheinlich.

Umbruch abgefedert

England verlor ab 2014 scheinbar unverzichtbare Spieler, unter ihnen Stars wie Frank Lampard, Steven Gerrard und Wayne Rooney. Es war ein Umbruch, den Englands Nationalmannschaft abfedern konnte und aus dem sie sogar gestärkt hervorgegangen ist. Der Goalgetter Harry Kane ist mit 27 Jahren jetzt gerade im besten Alter. Überragende Kräfte wie Mason Mount, Phil Foden und Jadon Sancho sind im Durchschnitt weniger als 22 Jahre alt. Jude Bellingham (17) kann man auch schon zu den Ausnahmetalenten zählen, in deren Erinnerung es das frühere Scheitern Englands an grossen Turnieren und verlorene Penaltyschiessen nicht gibt. Nur Nationalcoach Gareth Southgate wird es noch nicht vergessen haben.

Die EM-Qualifikation schloss England in einer keineswegs einfachen Gruppe mit 37:6 Toren und sieben Siegen in acht Spielen ab. In der begonnenen WM-Qualifikation haben die Three Lions im gleichen Stil weitergemacht: 3 Spiele, 9 Punkte, 9:1 Tore.

Die Turniermannschaft

Wenn es zählt, ist Kroatien meistens da. Als Titelfavorit werden die Spieler aus dem Balkan nie genannt. Deutschland, Spanien, Frankreich, England, Italien, Portugal, der Niederlande und selbst Belgien werden nach häufig vorgefassten Meinungen immer die besseren Chancen eingeräumt. Aber wie schon an der WM in Russland kann sich der erfolgreiche Nationalcoach Zlatko Dalic auf ein starkes, recht ausgeglichenes Kader abstützen. 14 Spieler sind in Klubs der fünf grossen europäischen Ligen engagiert, die meisten von ihnen in guten Rollen.

In der Qualifikation setzten sich die Kroaten vor Wales durch und vor zwei Mannschaften, die über die Barragespiele ebenfalls an die EM kamen: Slowakei und Ungarn.

Mit der auf die EM 2016 vorgenommenen Aufstockung auf 24 Mannschaften können sich auch Länder hervortun, die noch nie etwas oder schon lange nichts mehr zustande gebracht haben. Zur zweiten Kategorie gehören die Schotten. Zuletzt blieben sie je fünfmal in der WM- und in der EM-Qualifikation hängen. Damit sie nun erstmals seit 1998 an einem grossen Turnier mittun können, reichte ihnen in zwölf Qualifikationsspielen einschliesslich den jeweils im Penaltyschiessen gewonnenen zwei Barragespielen eine ausgeglichene Bilanz aus. Ungarn und Nordmazedonien kamen ebenfalls mit ausgeglichenen Bilanzen in die Barrage, gewannen dort aber je zwei Spiele nach 90 Minuten.

Die Tschechen scheinen eher als die Schotten in der Lage zu sein, England und Kroatien die ersten zwei Plätze in der Gruppe streitig zu machen. Waren sie in der Qualifikationsgruppe deutlich hinter England Zweite, so konnten sie doch den Engländern die einzige Niederlage zufügen, mit einem 2:1 in Prag.

veröffentlicht: 8. Juni 2021 09:15
aktualisiert: 8. Juni 2021 09:18
Quelle: sda

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