Fussball ist scheisse, aber die EM ist super
Zuerst schiesst man den Ball weg, dann rennt man ihm hinterher. So wirkt es auf mich, wenn im Wohnzimmer meiner WG ein Fussballspiel über den Bildschirm flimmert. Und das ist nicht selten der Fall. Es scheint eine Faszination zu sein, die ich so wenig verstehe wie das Abseits.
Gestreamt, bejubelt und diskutiert wird hauptsächlich der Männerfussball, aber um das geht es hier nicht. Es geht um Waka Waka, Vuvuzelas und Panini-Bildli. Die EM und die WM, das sind Events, die mich in regelmässigen Abständen in meine Kindheit zurückversetzen. Die Europa- und Weltmeisterschaften, die sich nach einem gelungenen Sommer anfühlen.
Die Vuvuzela von damals ist die Hochbundhose von heute
Ich erinnere mich an die WM in Südafrika im 2010 und wie fasziniert ich Shakira bei ihrer Eröffnungs-Performance zugeschaut habe. Ihr WM-Song, eingängiger als die Tore von Alex Frei. Die Vuvuzela von damals ist die Hochbundhose von heute. Wer ohne eine solche Tröte an einem Public Viewing erschien, entlarvte sich als echter Fussball-Fan. Denn an den Europa- und Weltmeisterschaften regieren die Mode-Fans.
Es waren diese Abende, an denen ich länger aufbleiben durfte. Sogar unser alter Röhrenfernseher stand auf der Terrasse, damit wir beim Grillieren in der Abendsonne der Schweiz beim Verlieren zuschauen konnten. Die Schweizer Spieler kannte ich alle dank den Panini-Bildchen. Aber weil ich etwa fünfmal den Hakan Yakin hatte, fand ich ihn blöd. Nach seinem Tor gegen Israel jubelte ich trotzdem ein wenig. So wie ein beleidigtes Kind, das das Stück Schokolade dann doch bekommt.
Man hat immer ein Gesprächsthema
Für eine eher introvertierte Personen wie mich ist das die Blütezeit. «Hesch s'Spiel gescht gseh?» oder «Du, das 1:1 hüt, Wahnsinn!» Endlich kann ich bei Fussballgesprächen am Mittagstisch mitreden. Oder sogar ein Gespräch anreissen! Genial, ein Gefühl, das ich ansonsten nur nach einigen Gläsern Bier kenne.
Ein Kränzchen für meine Mitbewohnerinnen
Ich habe in meiner Kindheit nicht gelernt, Fussball zu gucken – ich habe mich eher mit meiner Gitarre im Kinderzimmer verkrochen und Waka Waka gecovert. Doch meine beiden fussballbegeisterten Mitbewohnerinnen haben mich gelehrt, dass dieser Sport eben mehr als nur Tabellen, starke Wädli und Fan-Schreie ist.
Fussball ist Taktik, im Fussball stecken Geschichten. Das Abseits ist nicht so kompliziert und Shaqiri ist zwar gut, aber auch eitel. Andere lernen in der Quarterlife-Crisis eine neue Sprache, ich lerne Fussball. Den richtigen, nicht den Nati-Fussball. Ich versuche, nicht nur jeden zweiten Sommer Emotionen bei Fussballspielen zu spüren, sondern aktiv an der Fussballwelt teilzunehmen. Wenn ich Waka Waka also noch lange auf der Gitarre übe, kann ich ja mal bei einem Grümpeli an der Eröffnung spielen.
P.S: Hopp Schwiiz!