Prozess

Mutmassliche FCZ-Fans bestreiten Beteiligung an Angriff auf YB-Zug

23.07.2020, 17:47 Uhr
· Online seit 23.07.2020, 17:45 Uhr
Eine Berner Einzelrichterin hat am Donnerstag drei mutmassliche Fans des FC Zürich einvernommen, welche 2017 bei einem Angriff auf einen Fanzug des BSC Young Boys Bern beteiligt gewesen sein sollen. Ihre Anwälte bestreiten dies.
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Die drei mutmasslichen FCZ-Fans verweigerten vor der Einzelrichterin des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau in Burgdorf fast jegliche Aussage. Ihre Anwälte verlangten aber in ihren Plädoyers Freisprüche in den Anklagepunkten, in denen es um den Angriff von August 2017 im Bahnhof von Herzogenbuchsee ging.

Die Beteiligung der vier jungen Männer im Alter von 23 bis 29 Jahren aus Zürich an diesen Angriff sei überhaupt nicht belegt, sagten die Anwälte unisono. Einer der jungen Männer sagte, er sei seit vielen Jahren an den Armen und Händen tätowiert. Auf dem Bild, das laut der Polizei ihn zeige, seien die Tattoos nicht zu sehen.

Ein Staatsanwalt beantragt für die drei jungen Männer und einen weiteren, der am Donnerstag fehlte, Freiheitsstrafen zwischen 6 und 10 Monaten sowie Bussen. Die Freiheitsstrafen sollen in drei Fällen bedingt ausgesprochen werden, im vierten Fall wohl auch, doch steht das nicht so in der Anklageschrift.

Zahlreiche Straftaten wirft der Staatsanwalt den vier Angeklagten vor, so in allen vier Fällen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und in zwei Fällen einfache Körperverletzung.

Der vierte Angeklagte fehlte, weil er laut seinem Anwalt Covid-19-Symptome aufweist. Er ersuchte deshalb um Dispensierung vom Prozess, was die Richterin bewilligte. Diese will das Urteil am (morgigen) Freitagnachmittag bekanntgeben.

Zugbegleiterin: «Wie im Krieg»

Als am 19. August 2017 der Extrazug mit YB-Fans zum Auswärtsspiel des Berner Fussballklubs in Zürich rollte, legte der Zug in Herzogenbuchsee einen geplanten Halt ein. Wie Zeugen am Donnerstag vor Gericht sagten, rannten auf einmal rund 25 vermummte Männer zum Zug und ein Teil von ihnen bestieg einen Wagen der Zugspitze.

Dort attackierten sie den im Zug mitreisenden YB-Fanverantwortlichen und wollten wissen, wo die YB-Fans seien.

Geistesgegenwärtig hatte der Zugchef kurz zuvor sofort den paar YB-Fans, welche sich auf dem Perron befanden, befohlen einzusteigen. Den Lokführer hiess er abzufahren. Auf diese Weise verhinderte er, dass der Grossteil der mutmasslichen FCZ-Fans in die hinteren Wagen gelangte, wo sich die YB-Fans befanden.

Die paar mutmasslichen FCZ-Fans in den vorderen Wagen betätigten nach dem Losfahren die Notentriegelung der Türen und sprangen wieder aus dem Zug.

Weiter hinten drückte der Zugchef von Hand auf die Tür, durch die er eben eingestiegen war, damit sie sich schneller schliesse. Durch den offenen Spalt schlug aber ein mutmasslicher Fan des FCZ noch mit einem Stock auf den Arm des Zugchefs ein.

Dieser mutmassliche FCZ-Fan soll in der Folge die Türscheibe des folgenden Wagens eingeschlagen und Pfefferspray in den Zug gesprüht haben. Der Zugführer trug eine blutende Wunde und eine Prellung davon, welche er ärztlich behandeln lassen musste.

Der Lokführer des YB-Extrazugs sagte bei seiner Einvernahme vor der Richterin, er habe sich «wie in einem schlechten Film» gefühlt. Er erinnere sich vor allem an das Überfallartige der Szene. Eine Zugbegleiterin der SBB sagte, ihr sei es vorgekommen «wie im Krieg».

Auf Autobahnraststätte gefilmt

Aus den Fragen der Richterin an die Angeklagten ging hervor, dass die Männer offenbar aufgrund von Videoaufnahmen beschuldigt wurden, welche Kameras der Autobahnraststätte Kölliken AG gemacht hatten.

Dort sollen die Angeklagten gut 25 Minuten nach dem Angriff auf den Zug einen Halt eingelegt haben und von der Stadtpolizei Zürich identifiziert worden sein. Diese Videobilder wurden während der Verhandlung gezeigt. Zu sehen war, wie junge Männer mit weissen Sweat- oder T-Shirts aus Autos ausstiegen und umhergingen.

Vorhanden sind laut der Richterin auch Fotos, welche Passagiere des YB-Fanzugs vom Angriff machten. Beim Vergleich der Bilder aus Herzogenbuchsee und Kölliken sollen sich im Fall der Beschuldigten übereinstimmende Merkmale ergeben haben. Genau dies bestreiten die Verteidiger der Angeklagten.

veröffentlicht: 23. Juli 2020 17:45
aktualisiert: 23. Juli 2020 17:47
Quelle: sda

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