Rorschacherberg

Schiri-Talent: «Erwarte, dass er es in die Super League schafft»

· Online seit 03.05.2021, 05:39 Uhr
Der 19-jährige Filip Mihajlovic pfeift bereits Spiele in der zweiten Liga. Er ist der jüngste Schiedsrichter, der auf diesem Niveau Spiele leiten darf. Laut seinem Förderer könnte er es bis ganz nach oben schaffen. Das Ostschweizer Schiedsrichtertalent im Porträt.
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Sonntagvormittag, strahlender Himmel über dem Espenmoos, wo sich zwei regionale Nachwuchsmannschaften auf Top-Niveau gegenüberstehen. In der Junior League A (früher Coca-Cola) messen sich der SC Brühl und der FC Gossau.

Zum Spiel passt der Schiedsrichter: Jung, talentiert und mit grossen Ambitionen. Routiniert kontrolliert er die Tore und Mannschaftsaufstellungen vor dem Spiel.

Der 19-jährige Filip Mihajlovic pfeift die Partie an und leitet danach ein umkämpftes und emotionales Spiel. Für beide Mannschaften geht es darum, an der Tabellenspitze mitmischen zu können. Oft muss Mihajlovic die Gemüter beruhigen, die Spieler beschwichtigen und einige Karten zeigen. Fünf gelbe, eine davon für den Gästetrainer und eine direkte rote Karte stehen am Ende zu Buche, Gossau gewinnt das Spiel mit 1:0.

Es sei eine anspruchsvolle Partie gewesen, meint er danach. «Aber als Schiedsrichter willst du ja Spiele pfeifen, die dich herausfordern», sagt der 19-Jährige.

Der steile Aufstieg

Mit herausfordernden Spielen kennt sich der Rorschacher, der für den FC Rorschacherberg pfeift, aus. Normalerweise leitet er Spiele in der 2.Liga regional, interregional ist er als Assistent an der Seitenlinie dabei. Das mit nicht einmal 20 Jahren – kein anderer Ostschweizer Schiedsrichter pfeift so jung schon auf so hohem Niveau.

«Ich habe mit 15 Jahren angefangen, in der fünften Liga zu pfeifen. Die Spieler hätten teilweise meine Väter sein können», sagt Mihajlovic. Es habe auch den einen oder anderen Spruch gegeben, ob er denn um diese Zeit nicht schon im Bett sein müsse. «Das hat mich aber nur noch mehr angespornt.»

Und sein steiler Aufstieg spricht für sich. Sein Talent stellte er im Eiltempo unter Beweis, wurde in die regionale Fördergruppe aufgenommen. Bereits mit 16 Jahren leitete er Drittligaspiele, mit 18 dann in der 2. Liga regional.

«Es ist Teamarbeit»

Mihajlovic spricht überlegt, abgeklärt. Er ist analytisch und völlig unaufgeregt. «So gehe ich auch meine Spiele an», sagt der junge Mann, der sonst französisch und Geografie an der Universität Zürich studiert. Die Leitung von Spielen ist seine Leidenschaft. Schon mit zwölf Jahren stand er bei Spielen des FC Rorschacherbergs an der Seitenlinie und gab den Linienrichter.

Heute hat er in der zweiten Liga seine eigenen Assistenten: «Ein Spiel zu leiten, ist Teamarbeit. Ein Zusammenspiel zwischen dem Schiedsrichtergespann, der Heim- und der Gastmannschaft.»

Seinen eigenen Führungsstil zu beschreiben, fällt ihm schwer. «Ich wünsche mir ein respektvolles Miteinander und versuche, mich in die Spieler hineinzuversetzen. Und ich lasse so viel, wie es geht, laufen», fügt er an. Es brauche Instinkt und Fingerspitzengefühl. Aber man müsse auch durchgreifen können – wie etwa beim Spiel zwischen Gossau und Brühl, wo Mihajlovic für ein hartes Foulspiel eine direkte Rote zeigte.

«Erwarte von ihm, dass er es in die Super League schafft»

Zu Mihajlovics Förderern gehört Hermann Thüler, Urgestein des Ostschweizer Fussballverbands, Vater von Ex-Natispieler Pascal Thüler und ehemaliger Präsident der Wettspielkommission. «Ah, mein Nachwuchstalent», sagt der heutige 79-Jährige, angesprochen auf den jungen Schiri. Er kommt direkt ins Schwärmen.

«Er bringt alles mit. Er ist intelligent, hat die Kondition und ist engagiert. Der würde am liebsten jeden Tag pfeifen.» Für Thüler ist klar: Mihajlovic hat das Zeug für das oberste Level. «Wenn er weitermacht und konstant gute Leistungen zeigt, bestimmt. Es gehört immer auch Glück dazu, aber ich erwarte von ihm, dass er es in die Super League schafft. Das weiss er auch.»

Um ihm den Einstieg zu ermöglichen, habe er seinerzeit ein paar Steine ins Rollen bringen müssen. «Er war eigentlich zu jung für den Schiedsrichterkurs», sagt Thüler. «Am Ende ging's dann aber doch.»

Cool bleiben

Von den in ihn gesetzten Hoffnungen lässt sich Mihajlovic nicht aus der Ruhe bringen. «Bis hierhin ging alles sehr schnell. Die Entwicklung wird zeigen, wie weit es reichen wird», sagt er. Zeitdruck gebe es aufgrund seines jungen Alters nicht. Er habe so genügend Zeit, Erfahrungen zu sammeln.

«Vor allem bei der Persönlichkeit muss ich noch Fortschritte machen», sagt er selbstkritisch. Damit meint er eine Vielzahl von Dingen. Etwa seine Ausstrahlung gegen aussen und in hitzigen Situationen die Übersicht zu bewahren.

Auch an seiner physischen Präsenz arbeitet er: «Ich mache dreimal die Woche Krafttraining. Auch um mein Knie mit dem fehlenden Kreuzband zu stabilisieren, aber nicht nur.» Es mache einfach einen besseren Eindruck, wenn man mehr Muskeln auf den Rippen habe.

Die nationale Fördergruppe als Ziel

Technisch sieht er sich auf einem guten Niveau. «Wir arbeiten in der regionalen Talentgruppe sehr intensiv daran, die richtigen Entscheide zu fällen und die Regeln richtig auszulegen.»

Sein Zwischenziel ist die nächste Fördergruppe – auf nationaler Ebene. Pro Jahr und Verband wird dort allerdings nur ein Schiedsrichter aufgenommen. «Es gibt viele andere, die das verdient haben», sagt Mihajlovic. Es wird auch noch so mancher vor ihm drankommen, doch Zeit hat er mehr als genug.

Und bei aller Abgeklärtheit: Ganz selten denkt er vielleicht doch an die ganz grosse Bühne. «Ab und zu ein schöner Traum gehört doch dazu.»

Damit die Träume wahr werden, braucht es regional und interregional weiterhin konstant gute Leistungen. Unter Beweis stellen kann er diese momentan kaum: Der Amateurfussball steht wegen der Coronakrise noch bis mindestens Ende Mai still.

veröffentlicht: 3. Mai 2021 05:39
aktualisiert: 3. Mai 2021 05:39
Quelle: FM1Today

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