EM 2020

Urs Meier, war das gestern ein Penalty?

· Online seit 08.07.2021, 16:12 Uhr
Die Szene in der Verlängerung des Halbfinals zwischen England und Dänemark gab zu reden: War das wirklich ein Foul, das zum spielentscheidenden Elfmeter geführt hat? Wir haben beim ehemaligen Spitzenschiedsrichter Urs Meier nachgefragt.
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Urs Meier, zuerst gleich die entscheidende Frage: War es Penalty?
Urs Meier: Wenn man die Bilder sieht, war es kein Penalty. Aber es ist im Sinne der Uefa, dass der Schiedsrichter eine Entscheidung trifft und Verantwortung übernimmt. Der Videoschiedsrichter greift nur bei krassen Fehlentscheidungen ein. Von daher war alles richtig.

Es war keine krasse Fehlentscheidung?
Der Schiedsrichter hat ein Foul gesehen. Wenn er die TV-Bilder angesehen hätte, würde er den Elfmeter wohl nicht mehr geben. Im Grundsatz hat der VAR alles richtig gemacht, es war kein klarer Fehlentscheid, es gab einen Körperkontakt. Ich hätte mir gewünscht, dass der VAR mit dem Schiri Kontakt aufgenommen und ihn gefragt hätte, was er gesehen hatte. Wenn er dann etwas gesagt hätte, das nicht passte, hätte ich als VAR ihm gesagt: Schau dir das doch bitte nochmals an. Es ist immerhin ein Halbfinal und eine entscheidende Szene in der Verlängerung. In so einem Fall muss es ein wasserdichter Elfmeter sein, das war er ganz sicher nicht.

Welche andere strittige Szene ist Ihnen sonst noch von dieser EM geblieben?
Natürlich die Rote Karte gegen Remo Freuler. Da hat der Schiedsrichter wohl gemeint, dass er mit der offenen Sohle in den Zweikampf ging. Das war nicht so. Auch hier hätte der VAR nachfragen sollen, was der Schiedsrichter sah. Das hat mit Kommunikation und mit Fussballverständnis zu tun.

Aus Schiedsrichter-Sicht: Ist das bis jetzt eine gelungene EM?
Absolut. Man darf nicht einen oder zwei Fälle rauspicken und die Leistung daran messen. Man muss das Gesamtbild sehen. Bisher war die Schiedsrichterleistung gut bis sehr gut.

Es ist aber auch eine faire EM.
Das hat natürlich auch mit den Mannschaften zu tun. Aber auch mit den Schiedsrichtern, die das Spiel leiten und nicht nur pfeifen. Gleich beim ersten Spiel zwischen Italien und der Türkei wurde ein unglaublich guter Massstab angewendet. Da war übrigens auch Danny Makkelie der Schiedsrichter, der gestern bei England gegen Dänemark das Spiel leitete.

Wie werden die neuen Regeln angewendet?
Sehr gut, die Uefa und die Schiedsrichter interpretieren diese richtig. Die Absicht soll wieder im Zentrum stehen. Nicht jedes Halten und Stossen ist ein Foulspiel. Das wird hier wunderbar angewendet. Bisher gab es keine Diskussionen über solche Entscheide.

Und dass die Linienrichter eine Szene zuerst zu Ende spielen lassen und erst dann die Fahne zum Offside heben?
Wenn es Zweifelsfälle sind, sollte man laufen lassen. Aber wenn jemand 1 bis 2 Meter im Abseits steht, soll er die Fahne heben, das Spiel unterbrechen. Wieso soll man noch eine Verletzung riskieren? Wir werden noch erleben, dass es zu einem Crash zwischen Angreifer und Goalie kommt und es eine schwere Verletzung gibt, die völlig vermeidbar gewesen wäre.

Das müsste man also korrigieren?
Ja, nicht mehr einfach laufen lassen. Das ist Quatsch. Wenn es ein klares Abseits ist, dann muss die Fahne rauf.

Noch zum Sportlichen: Stehen die richtigen Mannschaften im Final?
Ich denke schon. Obwohl Spanien im Halbfinal eine unglaublich tolle Leistung gezeigt hat. Aber die Italiener haben über das ganze Turnier überzeugt und den Einzug ins Final verdient. Das gilt auch für die Engländer.

Wem drücken Sie die Daumen?
Oh, das ist jetzt schwierig. Obwohl: Ich hab schon vor der EM gesagt, dass mein Herz für England schlägt. Und man soll aufs Herz hören.

Und wer gewinnt?
Ich glaube, das wird eine ganz enge Sache. Beide Mannschaften sind unglaublich sympathisch und haben das bisher sehr gut gemacht. Ich glaube, dass am Schluss die Italiener mit ihrer Cleverness gewinnen.

(red.)

veröffentlicht: 8. Juli 2021 16:12
aktualisiert: 8. Juli 2021 16:12
Quelle: CH Media

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