Halbjahres-Rückblick der Super League

19.12.2017, 07:28 Uhr
· Online seit 19.12.2017, 02:00 Uhr
Die Zahlen der topklassierten Young Boys sind verlockend. Hinter der aktuellen Nummer 1 der Super League wird der Branchenprimus FC Basel erstmals seit 2012 nicht als Leader ins neue Jahr starten.
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Weitere Fakten, Köpfe und Kurzgeschichten im SDA-Rückblick:

1. Young Boys (12 Siege, 4 Unentschieden, 3 Niederlagen; 40 Punkte). - In Bern ist die Zuversicht grösser denn je, den achtjährigen Monolog Basels endlich zu stoppen. Die Zahlen stimmen, die Unterhaltung passt. Adi Hütter hat seine Winner-Mentalität auf die dynamische und talentierte Mannschaft übertragen. Seine Quote in der Hauptstadt wird immer besser: 169 Punkte in 84 Partien, versüsst mit 182 Treffern. Die YB-Perspektiven sind erstklassig, und die jüngste Bilanz im Direktvergleich mit Basel fällt in der Hütter-Zeitrechnung deutlich zu Gunsten der Berner aus - fünfmal in Folge hat YB gegen den Titelhalter nicht mehr verloren.

2. Basel (11/5/3; 38). - Raphael Wicky hat unter Druck wie ein künftiger Champion reagiert: gelassen, schlau, stilsicher, erfolgreich. Seit dem Tiefpunkt in St. Gallen am 20. September haben die Bebbi unter seiner Leitung zur imposanten Wende angesetzt. In der Champions League stürmte der FCB in die Achtelfinals, im Tagesgeschäft gewann er in den letzten elf Partien 27 von möglichen 33 Punkten. Und trotzdem startet der FC Basel erstmals seit fünf Spielzeiten nicht als Leader ins neue Jahr, weil er zwölf Zähler weniger vorzuweisen hat als im Dezember 2016.

3. Zürich (7/7/5; 28). - Klubbesitzer Ancillo Canepa legte sich bereits wenige Wochen nach der Rückkehr in die Elite-Liga fest: «Ich bin sicher, dass wir eine neue Ära eingeläutet haben.» Das 1:5-Debakel in Lausanne am letzten Sonntag trügt, die Halbjahresbilanz entspricht Canepas Erwartungen, sie ist formidabel: Position 3, Halbfinal-Qualifikation im Cup, 27'742 oder über 35 Prozent mehr Zuschauer als in der Abstiegssaison vor zwei Jahren. «Der Abstiegsmief ist komplett weg.» Die präsidiale Kernbotschaft ist nicht zu widerlegen.

4. St. Gallen (8/3/8; 27). - Nach 38 Jahren quittiert Matthias Hüppi seinen TV-Dienst im Leutschenbach und wechselt die Fronten. Mit einem der populärsten Fernseh-Köpfe des Landes an der Spitze dürfte der FCSG markant an Kreditwürdigkeit gewinnen. Hüppi ist ein Garant für Stil und eine vernünftige Strategie. Zusammen mit Grössen aus Wirtschaft und Sport will der 59-Jährige «den Fussball wieder in die Herzen der Ostschweizer bringen». Mit politisch motivierten Störmanövern ist nicht mehr zu rechnen, die Vakanz beim Sportchef-Posten dürfte in Kürze bereinigt sein.

5. Lausanne-Sport (7/4/8; 25). - Fabio Celestini experimentiert gern und oft. Sein Coaching ist nicht frei von Risiken, tut dem Waadtländer Team aber mehrheitlich gut. Vom 2:5 gegen Thun über den 2:1-Coup beim Meister Basel bis zur 5:1-Demütigung des FC Zürich ist alles möglich. Hätte Lausanne nicht vier der ersten fünf Partien verloren, würde die Equipe um einen Platz an der erweiterten Spitze spielen. Mittelfristig ist mit den Romands aber ohnehin im oberen Ranglistendrittel zu rechnen: Ein britischer Chemie-Gigant ist seit ein paar Wochen Mehrheitsaktionär und will bis zur Eröffnung der neuen Arena 2019 auf nationaler Ebene eine prominente Rolle spielen.

6. Grasshoppers (6/6/7; 24). - «Man spürt: GC ist jetzt Yakin-Land», rief die «Neue Zürcher Zeitung» im Spätsommer in Niederhasli den Ausnahmezustand aus. Sogar Christian Gross meldete sich aus seiner Residenz am Persischen Golf und erklärte, Yakin könne GC zu altem Glanz führen. Beim Rekordmeister ist der Coach in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit eine Nummer grösser als die Mannschaft. Dazu nochmals ein Auszug aus der «NZZ»: «Yakin ist jemand, der einen Klub komplett verändern kann.» Mit seiner Aura hebt sich der 43-Jährige in der Tat ab. In den ersten sechs Spielen unter ihm stiess GC ohne eine Niederlage auf Position 3 vor und deklassierte den FC Zürich 4:0; mit nur noch sieben Punkten in den vergangenen sieben Runden hat sich der Yakin-Effekt vorerst etwas verflüchtigt.

7. Lugano (6/4/9; 22). - Pierluigi Tami hat den Umständen entsprechend solide Trainer-Arbeit geleistet. Die Herausforderung, nach Luganos bester Saison seit 14 Jahren ohne das beste Sturm-Duo der letzten Rückrunde auszukommen, bewältigte der clevere Taktiker gut. Ohne die 43 Skorerpunkte von Ezgjan Alioski (neu bei Leeds) und Armando Sadiku (Legia Warschau) haben sie primär im Cornaredo an Durchschlagskraft verloren - aus neun Partien resultierten lediglich sieben Punkte, kein Konkurrent schnitt vor eigenem Publikum schlechter ab. Auswärts hingegen coachte Tami die Bianconeri zum drittbesten Wert; einzig der Titelhalter Basel und die Young Boys gewannen drei Zähler mehr.

8. Thun (6/3/10; 21). - Die robusten und widerstandsfähigen Berner Oberländer können mit schwierigen Situationen umgehen. Auf das branchenübliche Trainer-Ultimatum verzichtete die Thuner Führung auch nach einer sportlichen Dürreperiode mit nur zwei Siegen in zehn Runden explizit. Die Crew um den seit 2009 amtierenden Sportchef Andres Gerber handelt sachlich und orientiert sich an der wirtschaftlichen Realität. Den möglichen Fall in die Zweitklassigkeit, das finanzielle Grounding, die schwierigen Themen können Gerber und Co. nie ausblenden. «Der FC Thun ist ein permanentes Abenteuer», sagte Gerber vor wenigen Tagen im «Bund».

9. Luzern (5/5/9; 20). - Im Sommer redete Markus Babbel die schwerwiegenden Abgänge mehrerer Stammspieler zwar nicht schön, aber klein. Der Deutsche sprach von der «riesigen Chance der Jungen, aus dem Schatten zu treten». Seine Hoffnung hat sich nicht bewahrheitet. Der FCL taumelt nach drei Top-5-Klassierungen dem Abgrund entlang, der Substanzverlust ist spürbar. Babbels Zukunft ist unklar. Der Vertrag des aktuell dienstältesten Super-League-Trainers läuft im kommenden Mai nach der vierten Saison aus. Lokal haben sich die Kommentatoren gegen ihn formiert, entscheidend wird sein, wie die Geldgeber die allgemeinen Perspektiven beurteilen und ob sie allenfalls schon kurzfristig Handlungsbedarf anmelden.

10. Sion (4/5/10; 17.). - Das nicht ganz billige Kader Sions beinhaltet durchaus Qualität. Ein Ex-Topskorer (Marco Schneuwly), ein mehrfacher Champion (Carlitos), der russische U21-Keeper (Anton Mitrjuschkin), ein Mann mit Premier-League-Erfahrung (Elsad Zverotic), ein italienisches Top-Talent (Federico Dimarco) oder ein EM-Teilnehmer (Burim Kukeli) - die Liste spannender Namen ist lang und passt nicht zur miserablen Tabellenlage. Die Probleme im Wallis sind hausgemacht. Klubchef Christian Constantin prügelte sich im September meterweit ins Offside. Seit seinem Übergriff auf den Teleclub-Experten Rolf Fringer steht der Verein in jeglicher Beziehung nahezu still. Der unberechenbare und von der Liga für 14 Monate gesperrte Präsident hat sich und seine gesamte Entourage in den Sumpf manövriert.

veröffentlicht: 19. Dezember 2017 02:00
aktualisiert: 19. Dezember 2017 07:28
Quelle: SDA

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