Martin Buser denkt nicht ans Aufhören

15.03.2019, 05:57 Uhr
· Online seit 15.03.2019, 02:12 Uhr
Zum 47. Mal geht in diesen Tagen in Alaska mit dem Iditarod das bekannteste Schlittenhunderennen der Welt zu Ende.
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Mittendrin befindet sich der Schweizer Auswanderer Martin Buser, der an dieser «Ironman-WM» des Schlittenhundesports längst zum Inventar zählt. Der gebürtige Winterthurer mit US-Pass beendet am Freitag Schweizer Zeit das längste und prestigeträchtigste Schlittenhunderennen der Welt zum 34. Mal in Folge und zum 36. Mal insgesamt. Beides sind Rekordmarken für das Iditarod. Der knapp 61-jährige Schweizer Auswanderer erreicht in diesem Jahr den Zielort im Bereich der Top 25 im Feld von 52 gestarteten Teams.

Sieger Peter Kaiser war bei anspruchsvollen Verhältnissen mit viel Weich-Schnee rund zwei Tage vorher im Ziel. Neun Tage, zwölf Stunden und 39 Minuten nach dem Start in Anchorage erreichte Kaiser das rund 1850 Kilometer entfernte Nome, eine ehemalige Goldgräber-Hochburg am Beringmeer.

Der 31-jährige Kaiser sorgte für den fünften Triumph eines Ureinwohners. Als erster Yupik, einer Gruppe der Eskimo, realisierte der zweifache Familienvater den Triumph im prestigeträchtigsten Schlittenhunderennen der Welt. Dafür kassierte er unter anderem eine Siegprämie von 50'000 Dollar.

Mit Jessie Royer folgte die erste Frau bereits im 3. Rang. Sie erreichte das Ziel mit elf Huskys und damit deren drei mehr als die beiden erstklassierten Männer. Die 2006 verstorbene Susan Butcher war als Frau mit vier Iditarod-Triumphen gar eine Ikone dieses Sports.

Ein anderer «Hall of Famer» ist Martin Buser, der ebenfalls vier Mal triumphierte. Er gewann das Iditarod 1992, 1994, 1997 und 2002 (in damaliger Rekordzeit, die neun Jahre hielt) und war unter anderem dreimal Zweiter. 2002 war er der erste Musher, der das Iditarod in weniger als elf Tagen zurücklegte. Auch wenn er nicht mehr mit der Spitze mithalten kann, denkt Buser nicht ans Aufhören.

«Mit 75 zum 50. Mal das Iditarod zu bestreiten», gab er unlängst via Facebook als seine langfristige Zielsetzung an. Buser machte auch im diesjährigen Iditarod ausgiebigere Pausen als seine Konkurrenten, um seine Hunde zwischen den Checkpoint dafür schneller laufen zu lassen. Doch auch für ihn selbst sind die Pausen wichtig, «denn ich bin das klar schwächste Teil des Teams», sagt Buser.

Ein bisschen «Old School» hat sich Buser auch dahingehend erhalten, dass er nicht ständig mit einem Handy auf dem Trail erreichbar ist. Ein solches leiht sich der Iditarod-Dauerbrenner eher kurz mal aus. Längst kann das Vorankommen der Musher mit GPS-Tracking verfolgt werden. Ansonsten müssen die Iditarod-Schlittenhundeführer für Notrufe noch ein Satelliten-Telefon mitführen.

Buser lebt seit 1979 in Alaska. Seit 2002 ist der in Big Lake beheimatete Buser amerikanisch-schweizerischer Doppelbürger. Einer seiner beiden Söhne (Rohn) absolvierte das Iditarod bereits mehrfach. Ausserhalb der Saison verdient Buser sein Geld unter anderem als Motivations-Speaker. Aus der Schweiz vermisst Buser nur noch den Gruyère-Käse, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA festhielt.

Umstritten ist das Iditarod wegen Todesfällen von Vierbeinern. Und deshalb schon lange ein Dorn im Auge der Tierschützer. «Weltweit sterben zigmal mehr Hunde wegen Vernachlässigung und Mangel an Bewegung. Und niemand beschwert sich», sagt dazu Iditarod-Rekordsieger Rick Swenson (5 Triumphe).

In diesem Jahr musste der zwischenzeitliche Leader Nicolas Petit knapp 300 Kilometer vor dem Ziel aufgeben, weil seine Huskys sich plötzlich geschlossen weigerten, das Rennen fortzusetzen. Nach einer fünfstündigen Zusatzrast musste der gebürtige Franzose einsehen, dass keine Renn-Fortsetzung möglich ist.

Petit blieb nichts anderes übrig, als seine sowohl physisch als auch mental ausgepowerten Hunde mit einem Schneemobil in die nächstmögliche Unterkunft zu lotsen. Bilder vom erschöpften Team lösten entsprechende Debatten aus. Beobachter vor Ort mutmassten, dass Petit seinen Vierbeinern auf dem Weg nach Nome zu wenig Erholung gewährte. Libby Riddles, die 1985 als erste Frau das Iditarod gewann, betonte: «Der Fall zeigt, dass dieser Sport ein enormes Mass an Feingefühl und Balance erfordert, die Hunde happy zu halten und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu sein.»

Das Iditarod ist denn auch ein enorm substanzzehrender Wettkampf durch raue Natur: Die Teams werden bei klirrender Kälte beispielsweise mit Schneewirbelstürmen oder brüchigem Eis bei Gewässer-Überquerungen konfrontiert. Von besonderem Wert sind Leithunde, die keine Angst vor endlos scheinenden Flächen haben.

Ein Iditarod-Vierbeiner verbrennt an Renntagen bis zu 15'000 Kalorien; das ist ein bedeutend höherer Energieverschleiss, als ein Radprofi in einer Pyrenäen-Etappe der Tour de France verzeichnet. Mit fettreicher Fischsuppe (Lachs) und anderen Köstlichkeiten werden die Energiespeicher der Vierbeiner unterwegs wieder gefüllt.

Die besten Iditarod-Musher haben mindestens 60 Huskies in ihren Kennels, maximal 16 dürfen am Start in Anchorage eingespannt werden; die teilnehmenden Vierbeiner werden Gesundheitstests und Dopinguntersuchungen unterzogen. Unterwegs reduziert sich ein Team laufend, aus taktischen oder gesundheitlichen Gründen werden an den Checkpoints Teammitglieder den Veterinären überlassen oder von diesen aus dem Rennen genommen.

Das Iditarod findet in Erinnerung an eine Schlittenhunde-Expedition 1925 statt, bei der Impfstoffe nach Nome gebracht wurden, um einen Diphtherie-Ausbruch zu stoppen.

veröffentlicht: 15. März 2019 02:12
aktualisiert: 15. März 2019 05:57
Quelle: SDA

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