Wer an einem Radrennen teilnehme, müsse mit einem erhöhten Risiko der Gefährdung rechnen, begründeten die drei Oberrichter am Montag ihren Entscheid. Damit hob das Obergericht das Urteil des Bezirksgerichts Zurzach von November 2016 auf.
Das Bezirksgericht hatte den Zürcher wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Gegen den Schuldspruch legte der frühere Profi-Radsportfahrer Berufung ein. Sein Verteidiger forderte wie bereits vor der ersten Instanz einen Freispruch.
Beim Unfall an den Radsporttagen Gippingen am 14. Juni 2014 war in Böttstein AG ein 37-jähriger Schweizer Radrennfahrer aus dem Kanton Zürich schwer verletzt worden. Er erlitt ein stumpfes Schädel-Hirn-Trauma, an dessen Folgen er am gleichen Abend im Spital verstarb. Der Verstorbene hatte geplant, drei Tage nach dem Rennen zu heiraten.
Der 53-jährige Radrennfahrer hatte in der zweitletzten Runde in der Abfahrt in einem Waldstück bei einem Überholmanöver den Spitzenfahrer touchiert. Dieser stürzte.
Die folgenden drei Fahrer der Spitzengruppe fuhren in das Rennrad des Gestürzten. Sie fielen ebenfalls um und schlitterten teilweise in die angrenzende Wiese. Der tödlich verletzte Mann war in dieser Gruppe gefahren.
Es stehe fest, dass der Mann im Windschatten gefahren sei und dann beim Überholen mit 70 km/h den ersten Radfahrer an der Schulter touchiert habe, hielt das Obergericht bei der Urteilsbegründung weiter fest. Der Abstand habe höchstens fünfzig Zentimeter betragen.
Der Mann habe den Fahrer jedoch nicht heftig und mit Absicht gestossen. In einem solchen Fall wäre dieser selbst gestürzt, hiess es.
Das Strassenverkehrsgesetz finde bei einem solchen Rennen keine Anwendung, sonst würde es keine Sportanlässe mehr geben. Das Obergericht sprach von einem «tragischen Fall». Niemand habe so einen Ausgang des Radrennens erwartet.
Der Verteidiger des Mannes forderte einen Freispruch. Die Ursache des Sturzes sei ein Materialfehler an der vorderen Nabe des Velos des Gestürzten gewesen. Dieser habe zu einem Speichenbruch geführt. Die fehlerhaften Naben seien vom Hersteller zurückgerufen worden. Für das Obergericht ist ein Materialfehler «denkbar». Es bestünden jedoch keine konkreten Hinweise.
Der Oberstaatsanwalt sowie die beiden Zivil- und Strafkläger verlangten, dass das Obergericht den Schuldspruch der ersten Instanz bestätigt. Es hab keine Notwendigkeit bestanden, den Fahrer bei hoher Geschwindigkeit so nah zu überholen, sagte der Oberstaatsanwalt.
Die Zivilkläger sprachen von einem «riskanten Überholmanöver» und von einer groben Verletzung der Sorgfaltspflicht. Der erste Radfahrer sei wegen der Touchierung beim Überholen gestürzt und nicht wegen eines Materialfehlers am Rad.
Nach dem Sturz der anderen Radsportler war der 53-Jährige weitergefahren. Bei der nächsten Rennrunde sah er nach eigenen Angaben die Rettungskräfte bei der Unfallstelle. Die Polizei nahm den Zürcher noch am gleichen Abend an seinem Wohnort fest. Er sass sieben Tage in Untersuchungshaft. Dafür erhält er nun eine finanzielle Entschädigung von 1400 Franken.
Der Mann, ein drahtiger Typ mit kurzen Haaren, suchte bislang nie das Gespräch mit den Angehörigen des Opfers. Viel mehr sieht er sich selbst als Geschädigter.
Auch im Schlusswort vor Obergericht beklagte er sich, dass er «Beleidigungen» und «Demütigungen» habe anhören müssen. Er war jahrelang Profi-Radrennfahrer gewesen. Er hatte zwei Mal an der Tour de Suisse teilgenommen.