Die Nase vorn

Warum der FCSG besser ist als Luzern

08.01.2020, 16:37 Uhr
· Online seit 31.03.2018, 11:52 Uhr
Mit einem Sieg in Luzern kann der FC St.Gallen heute die Weichen definitiv in Richtung Europa League stellen. Zwischen den beiden Klubs gibt es viele Parallelen – und doch haben die Espen die Nase vorne, schreibt Sportjournalist und TVO-Moderator Dominic Ledergerber.
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Sie könnten bei der Geburt getrennt worden sein, der FC Luzern und der FC St.Gallen. Die Parallelen liegen auf der Hand: Es sind beides Super-League-Klubs, die zwar nicht um den Meistertitel mitspielen können, wohl aber Ambitionen auf einen Platz in der breiteren Tabellenspitze haben dürfen, wenn es im Umfeld keine Misstöne gibt. Es sind Vereine mit einem grossen Einzugsgebiet und einem ansehnlichen Stadion. Beide wissen zudem Titel zu schätzen, weil sie rar sind: So wurde Luzern bislang einmal Schweizer Meister (1989) und gewann zweimal den Schweizer Cup, während es beim FCSG gerade umgekehrt ist (Meister 1904 und 2000, Cupsieger 1969).

In der ersten Hälfte der laufenden Saison gab es noch eine weitere Gemeinsamkeit: Das Umfeld der beiden Klubs war chronisch unzufrieden, weil es in der jeweiligen Klubführung zu Machtspielchen und Grüppchenbildungen kam. So waren sowohl Luzern als auch St.Gallen dazu verdammt, ein Dasein im grauen Mittelfeld der Super League zu fristen. Bestenfalls!

St.Gallen schaffte den Turnaround

Noch in allzu frischer Erinnerung ist bei den Espen das erste Halbjahr der Meisterschaft unter Präsident Stefan Hernandez, in dem Chaos und Theater Programm waren, mit Erfolglosigkeit und finanziellem Schiffbruch als drohender Konsequenz. Dank des rigorosen Kurswechsels zum Jahresende entkamen die Espen aber dem Sog des Unheils, sie belegen nun den dritten Platz und sie hätten ihre Siegesserie von fünf Spielen womöglich bereits weiter ausgebaut, hätte da nicht die Länderspielpause dazwischengefunkt. «Eine solche Pause hat immer zwei Seiten», sagt FCSG-Trainer Giorgio Contini. «Klar hätten wir bei unserem Lauf gerne noch ein paar Wochen weitergespielt. So aber konnten wir den Fokus auch auf die Erholung setzen, was wiederum positiv ist.»

Dass dem FC St.Gallen der Turnaround unter der neuen Führung um Präsident Matthias Hüppi gelingen würde, hatten die meisten Anhänger vermutet und sie wurden nicht enttäuscht. Dass die Espen auch auf dem Rasen zum Höhenflug ansetzen würden, überraschte wiederum viele, nicht aber den Trainer. «Wo gut gearbeitet wird, trägt diese Arbeit irgendwann auch Früchte. Wir haben uns als Mannschaft gefunden und spielen einen Fussball, der zu uns passt», so Contini.

Der feine Unterschied

Und der FC Luzern? Der aufmerksame Beobachter des Schweizer Fussballs dürfte nun einwenden, dass auch die Zentralschweizer auf einer Welle des Erfolgs surfen, schliesslich haben sie seit dem 2. Dezember 2017 nur noch eines von zehn Spielen verloren. Betrug sein Polster auf den Abstiegsplatz nach der Vorrunde nur drei Punkte, ist der FC Luzern nun jenes Team, das den europäischen Traum der Ostschweizer am ehesten platzen lassen kann. Zumal die Zentralschweizer bei einem Sieg heute bis auf zwei Punkte an die Espen herankämen.

St.Gallen und Luzern, zwei Widersacher um die Honigtöpfe der Europa League, die nach schwieriger Vorrunde in die Spur gefunden haben? Hier enden die Parallelen abrupt. Während die Luzerner ihre sportliche Auferstehung in erster Linie dem Trainerwechsel von Markus Babbel zu Gerardo Seoane verdanken, regiert in der Teppich-Etage noch immer das pure Chaos. Taufrisch ist die Trennung zwischen dem FCL und seinem Geschäftsführer Marcel Kälin «im gegenseitigen Einvernehmen», wie der Klub schreibt.

Es ist nur eine von vielen Personalrochaden und nur eine von zahlreichen offenen Baustellen beim FCL. So gibt es mit Bernhard Alpstaeg etwa einen wichtigen Investor, der gerne auch eigene Trainer öffentlich kritisiert und damit Unruhe schürt.

So gering der Abstand in der Tabelle auch sein mag, der feine Unterschied zwischen St.Gallen und Luzern ist gewichtig: Verlieren die Espen, wird der Aufschrei durch das professionelle Umfeld gedämpft. Werden aber die Zentralschweizer vom Wettkampfglück verlassen, ist sofort Feuer im Dach.

Dem Luzerner Zwilling entwachsen

Giorgio Contini will sich zu den Unruhen beim FC Luzern nicht äussern. St.Gallens Trainer verweist stattdessen auf die Stärken des heutigen Gegners: «Die Luzerner wollen ihre Serie der Ungeschlagenheit wahren, sie haben viel Selbstvertrauen und werden dagegenhalten.»

Im Unterschied zu Luzern, wo Trainer Seoane erst seit kurzem wirkt, ist beim FC St.Gallen der Leim, der die Mannschaft zusammenhält, mittlerweile getrocknet. Giorgio Contini übernahm die Mannschaft im Mai 2017 von Joe Zinnbauer. Er hat sie seither zu einem stimmigen Puzzle zusammengesetzt und so die Grundlage geschaffen für sportlichen Erfolg, der nachhaltig sein kann.

Aus diesen Gründen steigt der FC St.Gallen heute als Favorit in die Partie in der Swissporarena. Er kann einmal mehr beweisen, dass er seinem Luzerner Zwilling entwachsen ist.

veröffentlicht: 31. März 2018 11:52
aktualisiert: 8. Januar 2020 16:37
Quelle: FM1Today

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