National League

«Es fehlt die letzte Überzeugung, auf einen Schweizer zu setzen»

19.12.2019, 09:37 Uhr
· Online seit 19.12.2019, 09:25 Uhr
Der 44-jährige Lars Leuenberger, Meistercoach mit dem SC Bern, vermisst die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft.
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18. November 2015. Lars Leuenberger löst den entlassenen Guy Boucher als Headcoach des SCB ab. Die Berner liegen zu diesem Zeitpunkt auf dem 9. Tabellenplatz. Obwohl Leuenberger zum ersten Mal ein Team in der höchsten Schweizer Liga führte und die Berner im Januar inklusive Cup achtmal hintereinander verloren, fand er einen Weg aus dieser «brutalen Zeit». Der SCB qualifizierte sich als Achter für die Playoffs und holte souverän den Meistertitel (12:2 Siege).

Allerdings entschied die Führungsriege der Berner schon vor den Playoffs, dass Leuenberger ersetzt wird. Und wie könnte es auch anders sein: durch einen ausländischen Coach, den Finnen Kari Jalonen. Leuenberger erhielt in der Folge keinen Trainerjob mehr auf höchster Stufe; zweimal war er nahe dran. «Vielleicht fehlt die letzte Überzeugung der Verantwortlichen, auf einen Schweizer zu setzen», mutmasst Leuenberger. Allerdings liege es nicht nur an den Verantwortlichen, man merke es auch bei den Spielern. «Ich habe das Gefühl, dass du als Schweizer immer noch etwas mehr zeigen musst.»

Trotz allem kehrte Leuenberger 2017 zum SCB zurück - als Chefscout und Leiter Sportstrategie. Das Scouting ist aber «eher ein kleiner Part». Leuenberger steht bei den Nachwuchsteams viel auf dem Eis, coacht die Trainer. Das Ziel ist, einen roten Faden durch die Organisation zu bringen. Worauf führt er es zurück, dass sich die Schweizer im Vergleich zu den Topnationen zunächst einen grossen Rückstand einhandeln? «Ein Patentrezept gibt es nicht.»

Einen Grund sieht Leuenberger in den Anzahl Trainings. Als er mit den Bernern im Rahmen der Champions Hockey League in Skelleftea war, schaute er, was dort im Nachwuchs gemacht wird. «Bis und mit U13 sind wir bezüglich der Trainingseinheiten ähnlich unterwegs. Nachher gehen sie ab durch die Decke.» Sie hätten es in Schweden bezüglich des Schulsystems einfacher. «In vielen Grossstädten gehen die Spieler miteinander ins Gymnasium. Am Morgen trainieren sie, dann Schule und dann wieder Training.» Leuenberger versucht, die Lücke zu schliessen, in dem bei den Berner U17- und U20-Spielern nach Zeitfenstern gesucht wurde, in denen noch individuell gearbeitet werden kann - beispielsweise eine halbe Stunde in den Schussraum zu gehen.

Die Möglichkeit, im Trainerteam der Schweizer dabei gewesen zu sein, ist für Leuenberger, der national schon von der U16 bis U19 tätig war, «eine sehr wertvolle Erfahrung. Bei jedem neuen Kapital lernt man viel für die tägliche Arbeit». Von Headcoach Patrick Fischer und dem schwedischen Assistenten Tommy Albelin ist er begeistert. «Die beiden funktionieren unglaublich gut zusammen und wissen genau, was es braucht. Sie sind gut vorbereitet, erklären gut und nehmen sich Zeit für die Spieler. ‹Fischi› (Fischer) kenne ich schon ewig. Er ist sich selber geblieben. Er hat seine Linie, die perfekt zur jetzigen Zeit passt. Ausserdem strahlt er eine unglaubliche Energie aus. Tommy ist der ruhige Part.»

Obwohl Leuenberger in Bern viel bewirken kann und den Job «sehr, sehr interessant und cool» findet, sieht er sich «kurz- oder mittelfristig» wieder irgendwo an der Bande - am liebsten bei einem Verein der National League. «Ich war zehn Jahre lang mit Freude und Begeisterung Trainer, habe mich nach oben gearbeitet und sehr viel erlebt. Das vermisse ich. Ich bin noch zu jung, um zu sagen: ‹Ich will nicht mehr›.» Leuenberger hofft, dass Fischer und die einzigen Schweizer Trainer in der höchsten Liga, Christian Wohlwend (Davos) und Luca Cereda (Ambri-Piotta), weiterhin erfolgreich arbeiten, «um allen zu zeigen, dass es auch wir Schweizer können. Davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt.» Es wäre jedenfalls an der Zeit, dass in den Vereinen ein Umdenken stattfindet.

veröffentlicht: 19. Dezember 2019 09:25
aktualisiert: 19. Dezember 2019 09:37
Quelle: sda

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