Steile Wände und starke Hände

10.08.2018, 13:18 Uhr
· Online seit 10.08.2018, 11:37 Uhr
Steile Felswände die in den Himmel ragen und mitten drin weisse oder orange Punkte, die über den Fels tänzeln wie Spinnen. Die Kinder vom Bergsteiglager des SAC Säntis haben keine Höhenangst und auch sonst keine Angst, aber ich: Denn die Kinder jagen auch mich den Felsen hinauf.
Lara Abderhalden
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Stadt St.Gallen Watt bin ich

In Andermatt scheint die Sonne nur schwach, es ist grösstenteils bewölkt und vielleicht 17 oder 18 Grad warm. «Perfekt zum Klettern», sagt Ueli Fässler. Er ist selbst schon von klein auf in den Sommerlagern des SAC Säntis dabei. Jetzt ist er einer der Leiter: «Ueeeeeliiiiiii», schreien die Kinder immer wieder im Kanon, während wir von der Seilbahn zum Klettergarten am Lutersee in Andermatt wandern.

Nicht alle halten sich an die Nachruhe

Die Kinder tragen farbige Faserpelze oder «Tischis» und haben sich die Kletterseile um den Rucksack gebunden. Einige von ihnen packen schon jetzt ihre Mini Pics aus dem Rucksack und verdrücken die Würstli, während sie kauend von ihrem Lager erzählen: «Vor allem gefällt mir das Klettern und es ist mega klar und schön hier. Es hat uns noch nie verregnet», sagt einer der Buben.

Anderen gefällt das Essen oder das Tschutten am Abend. Ob sie denn viel schlafen, frage ich sie: «Also die Kleinen müssen um 9 Uhr ins Bett», sagt die 8-jährige Romina. Die Nachtruhe halten aber nicht immer alle ein: «Also ich ‹chaschperle› manchmal noch mit meinem Bruder. Das macht Spass», sagt Rui, der sehr gerne und viel spricht und vielleicht einmal zum Radio kommt.

Er ist auch einer der ersten, der beim Klettergarten sein «Gschtältli» und die Kletterschuhe trägt. Schon von weitem kann man am Felsen einzelne glänzende Punkte erkennen. Dort werden die Karabiner, oder wie sie im Fachjargon heissen «Express», eingehakt. Mir wird etwas mulmig beim Anblick der teils überhängenden Abschnitte und ich bin froh, die Kamera und das Mikrofon, statt Karabiner und Seil in den Händen zu halten.

Schnell ist der Berg voller Kinder:

Stürzen gehört dazu

«Habt ihr keine Angst?», frage ich die 10- bis 12-jährigen Kinder. «Manchmal schon, aber man lernt einander zu vertrauen und man merkt, nachdem man einige Male gestürzt ist, dass nichts passieren kann», erzählt eines der Mädchen. Gespannt beobachte ich, wie die Kinder die Wände hinaufgleiten wie kleine Geckos. Einige stoppen gar die Zeit: «Drei Minuten habe ich gebraucht», sagt einer der Jungs stolz. Andere Routen an der Wand beanspruchen mehr Zeit. Bei einer ganz steilen, hohen Passage mit wenig Angriffsflächen brauchen die Kinder mehr Bedenkzeit.

Fokus beim Klettern

Die Kinder sichern sich gegenseitig. Trotzdem sind die Leiter stets zur Stelle. So beispielsweise als eines der Mädchen nicht mehr weiter weiss. Sie hängt in der Wand fest und traut sich nicht, sich zu bewegen. Sie ist Vorstieg geklettert, dass heisst, sie hackt die Express selbst ein und muss ein kleines Stück ohne Sicherung klettern. Ueli Fässler beruhigt das Mädchen, hält sie fest und sie kommt sicher zu Boden.

«Das wichtigste beim Klettern ist, dass die Kinder sich gegenseitig vertrauen», sagt Christoph Mannhart, der Materialchef des Lagers. «Der, der sichert, ist verantwortlich für den, der klettert.» Rundherum werde viel «Saich» gemacht, gehe es ums Klettern, seien aber alle fokussiert.

Meine erste Klettererfahrung

Während ich die Kinder gespannt beobachte, nähert sich mir einer der Leiter und hält mir eine Kletterausrüstung entgegen: «So, jetzt bist du dran», sagt Christoph Mannhart und bevor ich «aber» sagen kann, befinde ich mich in Kletterschuhen, Helm und «Gstältli». «Die Kinder haben heute Morgen schon gesagt, dass die Reporterin auch klettern muss», erklärt Ueli Fässler. Nun gut, den Kindern zuliebe traue ich mich auf die einfachste der Routen und die 8-jährige Romina hilft mir: «Ich sichere dich und erkläre, was du machen musst», sagt sie und zeigt mir einige Knöpfe.

Ich bin zu nervös um mir die Knöpfe zu merken und meine Knie zittern beim Gedanken, dass mich eine 8-Jährige sichert. «Also ich helfe Romina», sagt Mannhart, der zugleich der Vater von Romina ist und ich bin ein wenig erleichtert. Tatsächlich schaffe ich es zu meiner Freude bis ganz nach oben und auch wieder ganz nach unten. «Gut gemacht», sagt Romina und ich kann endlich verstehen, warum die Kinder vom Klettern so begeistert sind.

Leider muss ich das Lager irgendwann wieder verlassen. Die Kinder winken von überall her am Felsen und ich höre noch von weitem ein leises Echo: «Ueeeeeeliiiiii.»

Übrigens: Der SAC Säntis feiert das nächste Jahr sein 150 Jahre Jubiläum mit einem grossen Fest und Kletterkursen. Wer seine Kinder schon vorher klettern lassen will, der darf sich jeder Zeit beim SAC melden.
veröffentlicht: 10. August 2018 11:37
aktualisiert: 10. August 2018 13:18
Quelle: abl

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