Thurgauer Gürkli hat zu beissen

· Online seit 09.07.2018, 17:22 Uhr
Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 7000 Tonnen saure Gurken gegessen. Die meisten Gürkli kommen aus dem Ausland. Ein Bauer aus dem Thurgau gibt Gegensteuer.
Vanessa Kobelt
Anzeige

Die Essiggurke gehört für uns Schweizer zum Raclette – wie eben der Käse zur Schweiz. Jährlich landen 7000 Tonnen saure Gurken auf unseren Tellern. Doch nur gerade drei bis vier Prozent der Essiggurken kommen aus einheimischen Landwirtschaftsbetrieben. Das Problem liegt im Ausland.

Einheimische sind teurer

Pro Jahr kommen schweizweit 300 Tonnen der kleinen grünen Gurken auf den Markt. Drei der insgesamt zwölf Schweizer Gurkenproduzenten bauen ihre Essiggurken im Thurgau an, einer von ihnen ist Ferdinand Vogel in Kesswil. «Unsere Gurken haben keinen Grenzschutz. In den Läden sind sie somit etwas teurer, als die importierten», sagt er.

Schweizer Gurken bekannter machen

Ferdinand Vogel, der gleichzeitig auch Präsident der Interessensgemeinschaft Essiggurken Schweiz ist, liefert alle seine Gurken an Hugo Reitzel, den einzigen Abnehmer in der Schweiz. Zusammen wollen sie die Essiggurke auf dem Schweizer Markt bekannter machen. «Es ist keine einfache Aufgabe und kommt stark auf das Marketing an. Fest steht aber, dass die Nachfrage auf jeden Fall da ist.»

Die Kleinen sind beliebt

Am liebsten essen Herr und Frau Schweizer zurzeit die kleinen und mittelgrossen Essiggürkli. «Die Westschweizer lieben die ganz Kleinen, die sogenannten Cornichons. Die Deutschschweizer hingegen, bevorzugen die fünf bis neun Zentimeter langen Essiggurken im grösseren Glas», sagt Ferdinand Vogel.

Damit die Essiggurke genau die richtige Grösse hat, muss sie zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden, die Gurken wachsen nämlich mehr als zwei Zentimeter am Tag. «Je wärmer es ist, desto schneller wachsen sie. Momentan könnten wir morgens und abends aufs Feld und ständig Gürkli ernten.»

Kein Alkohol vor der Ernte

Die Ernte selbst ist kein Job für Weicheier. Momentan arbeiten auf dem Feld von Ferdinand Vogel zwölf Saisonarbeiter aus Polen. Für die Arbeiter aus Polen ist es eine grosse Chance, sie verdienen bis zu 4300 Franken im Monat. Manchmal sind sie dafür aber bis zu zwölf Stunden auf dem sogenannten «Gurkenflieger» unterwegs und pflücken in liegender Position ein Essiggürkli nach dem anderen. «Am Abend vorher sollten sie keinen Alkohol trinken und auch schweres Essen vor der Arbeit muss vermieden werden. Ansonsten kann schnell mal der Mageninhalt hochkommen.»

Körperliche Höchstleistung

Ferdinand Vogel weiss von was er spricht, er hat selbst 20 Jahre lang auf dem «Gurkenflieger» gelegen. «Am Anfang gibt es Nackenverspannungen, mit der Zeit legt sich das aber. Die Frauen dürfen nicht zu sehr hin und her rutschen, ansonsten bekommen sie Probleme mit den Brüsten.»

Man müsse viel Verständnis für die schwere Arbeit aufbringen und trotzdem schauen, dass die Mitarbeiter ihren Job richtig machen, das sei manchmal schwierig. «Wenn zu viele Gurken übersehen werden, ist das ein grosser Verlust für mich. Schon am nächsten Tag sind sie zu gross und somit wertlos. Da kann es halt schon seit, dass man mal jemanden zurecht weisen muss.»

Trockenheit macht Probleme

Zurzeit sei der Gurkenanbau keine einfache Aufgabe. Aktuell herrscht im FM1-Land Trockenheit und die Gurke ist ein Kürbisgewächs, welches sehr viel Wasser braucht. «Wir müssen sehr viel wässern. Es ist schade, dass wir dazu als Einzelperson kein Wasser aus dem See nehmen dürfen, sondern Trinkwasser benutzen müssen. Ich hoffe, dass der Kanton daran mal etwas ändert.»

Bauern scheuen sich

Doch nicht nur deswegen, sondern auch, weil der Gurkenanbau sehr viel Handarbeit bei der Ernte erfordert, scheuen sich viele Bauern in diesem Bereich einzusteigen. «Wenn man es gross aufziehen will, muss man mit fremden Leuten arbeiten und das ist nicht allen Bauern gegeben», sagt Ferdinand Vogel. «Schön wäre es aber trotzdem, wenn sich der Anteil von einheimischen Gurken erhöhen würde.» So, dass wir zum Schweizer Raclette, eben auch Schweizer Essiggurken geniessen können.

veröffentlicht: 9. Juli 2018 17:22
aktualisiert: 9. Juli 2018 17:22
Quelle: kov

Anzeige
Anzeige