Studienanalyse

Analyse zeigt: Killerspiele machen nicht gewalttätig

· Online seit 06.08.2020, 12:53 Uhr
Seit Jahrzehnten werden Videospiele mit brutalen Inhalten für Gewalttaten in der realen Welt verantwortlich gemacht. Amerikanische Wissenschaftler haben rund 30 Studien zu diesem Thema auseinander genommen und können sagen: Da ist nichts dran.
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Das Aufblitzen der Klinge im hohen Gras sieht die Wache zu spät. Einen kurzen Augenblick später steckt das Kampfmesser schmatzend in der Halsschlagader des Mannes. Nun wird auch der restliche Trupp auf den Angreifer aufmerksam.

Es ist Jin Sakai, der Geist von Tsushima. Es ist ihr Todesurteil. In einem blutigen Tanz hackt sich der Geist mit seinem ultrascharfen Katana durch die Horden Gegner, schickt die mongolischen Invasoren auf brutalste Weise zu ihren Göttern. Verwundete Gegner, die davon kriechen, bringt der Spieler mit einem simplen Druck auf die Viereck-Taste endgültig um.

Innerhalb einer Minute löscht man im neuen PS4-Titel «Ghost of Tsushima» eine ganze Gruppe von digitalen Menschen aus. Aber auch wenn das auf blutrünstige Weise geschieht (und richtig Laune macht), fördern Killerspiele keine Aggressionen im echten Leben - auch nicht wesentliche brutalere Spiele, wie zum Beispiel God of War oder Mortal Kombat. Zu diesem Schluss kommt eine neue Meta-Studie.

28 Studien zum Gamen analysiert

Seit Jahrzehnten werden Videospielen nachgesagt, einen schlechten Einfluss auf die Jugend zu haben. Eine neue Studie, in der mehr als zwei Dutzend andere Studien analysiert wurden, kann allerdings keinen Zusammenhang zwischen brutalen Games und brutalem Verhalten im echten Leben herstellen.

«Die Langzeit-Übereinstimmung zwischen dem Spielen von aggressiven Games und aggressivem Verhalten im echten Leben ist sehr klein», sagt Studienleiter Chris Ferguson, Psychologie-Professor an der Universität von Stetford, Florida. Und die existierenden Übereinstimmungen könnten vor allem durch unsaubere Praxis bei gewissen Studien erklärt werden.

«Bei den Studien mit bestmöglicher Methodik befindet sich der nachweisbare Zusammenhang irgendwo zwischen verschwindend gering und nicht vorhanden», sagt Chris Ferguson.

Für die Analyse werteten Ferguson und sein Team 28 Studien mit Daten von 21'000 Kindern aus.

Vieles spricht dagegen

Gerade bei schweren Gewaltausbrüchen von Jugendlichen wird immer wieder behauptet, es bestünde ein Zusammenhang zwischen Spielen mit brutalen Inhalten und der Tat. In unserem Sprachraum war das etwa beim Amoklauf in deutschen Winnenden im Jahr 2009 der Fall: Damals erschoss ein 17-jähriger 15 Menschen und sich selbst.

Die Rolle der «Killerspiele» wurde im Nachgang intensiv diskutiert, Angehörige und Politiker forderten ein generelles Verbot. Der Zusammenhang wurde seither jedoch immer wieder in Frage gestellt.

Dies vor allem in Form von Studien: So musste eine Gruppe in einer experimentellen Studie zum Beispiel zwei Monate lang jeden Tag ein gewalttätiges Spiel spielen, während die andere Gruppe sich mit einem gewaltfreien Spiel beschäftigte.

Unterschiedliches Verhalten liess sich bei den beiden Gruppen, trotz Konsums unterschiedlicher Games, nicht feststellen. Die Wissenschaftler berufen sich auch auf nationale Statistiken, um den Zusammenhang zu verneinen:

In Japan und Südkorea wird pro Kopf mehr Geld für Videospiele ausgegeben, als in den USA. Trotzdem gehören beide zu den Ländern mit den wenigsten Gewaltverbrechen auf der Welt, während die USA sehr weit oben auf der Liste sind.

Verteufelung ist ein Generationenproblem

«An diesem Punkt können wir wirklich festhalten, dass Videospiele ungerechtfertigt für Gewalt verantwortlich gemacht werden», sagt Professor Ferguson. Weder durch Langzeit- noch durch experimentelle Studien liesse sich ein Zusammenhang beweisen. In einem früheren Interview sagte Ferguson sogar, es bestünde genauso wenig ein Zusammenhang, wie zwischen dem Essen von Bananen und Suizid.

Vielmehr sehen die Wissenschaftler ein Generationenproblem. «Heute glaubt auch kaum mehr jemand daran, dass Ozzy Osbourne die Leute dazu bringt, Suizid zu begehen», sagt Ferguson,«In den Achtzigern und Neunzigern war das aber noch anders.» Mit dem Aussterben der älteren Generation, lasse jedoch auch die generelle Verteufelung der Spiele nach.

Warum der Wissenschaftler immer wieder Suizid-Vergleiche macht, wissen wir nicht. Seine Botschaft kommt trotzdem an.

veröffentlicht: 6. August 2020 12:53
aktualisiert: 6. August 2020 12:53
Quelle: FM1Today

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