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Mein Leben, das Karussellfahren

Mein Leben, das Karussellfahren

· Online seit 04.09.2016, 09:01 Uhr
Willi der Wunderhund oder Willi der Retter, eine heroische Versinnbildlichung von Gutmütigkeit auf vier Pfoten oder eben der Mike Shiva unter den Vierbeinern – all diese Beschreibungen treffen auf den Shih Tzu aus dem Fürstenland zu. Für einmal tut er nicht nur Gutes, sondern ihm wird Gutes getan. Wie sehr er das Karussellfahren liebt, erzählt er gleich selbst.
Lara Abderhalden
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Ich bin Willi, ein Therapiehund aus dem Fürstenland. Ich lecke. Hauptsächlich Hände, manchmal auch Gesichter. So erkenne ich, was den Menschen fehlt. Eine Art Wahrsager nennt man mich, da ich oft schon im vorherein merke, was den Menschen fehlt und sie so rechtzeitig Hilfe bekommen. Heute geht es aber für einmal um mich und meine Leidenschaft, das Karussellfahren. Da wedelt mein Schwänzli und die Ohren stehen steif.

Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal. Überall waren Beine, mit Kniesocken überzogene Beine, die in braunen Sandalen steckten und einen unangenehmen Geruch bildeten. Ich fühlte mich wie in einem Meer aus Käse und die vielen Gruyère, Emmentaler und Gorgonzolas drohten so langsam aber sicher in einer Tsunamiwelle zu explodieren. Da tauchte zwischen den Emmentaler-Löchern plötzlich dieses vergoldete, schnörkelige, runde Etwas auf.

«Mir gehört die Welt»

Ein Engel, der sich immerzu drehte. Sein Kleid war ein Gespann von farbigen kleinen Wagen, sein Heiligenschein ein zirkusähnliches rotes Dach mit vergoldeter Spitze. Ein Bild der Perfektion und Perversion zugleich, die mein Schwänzli in heftige Schwingungen versetzte. Ohne auch nur einen Gedanken an mein Herrchen zu verschwenden, verlagerte ich das Gewicht auf die Hinterpfoten und beschritt das Himmelreich. Auf einem roten Wagen kam ich zu sitzen und fühlte mich wie Queen Elizabeth, Barack Obama und Scooby Doo gleichzeitig. Mächtig und erhaben. «Mir gehört die Welt», bellte ich die mit Rotz übersäten Kindergesichter an und liess meine Zunge als Zeichen meiner Seele im Winde baumeln.

«Karussell, du hast mein Herz gestohlen!»

Als sich eine Pippi Langstrumpf ihn ihren grausigen karierten Latzhosen neben mich drängen wollte, fletschte ich meine Wehrwolfbeisser und knurrte das Jungwild in die Flucht. Diese Aphrodite unter den Achterbahnen gehörte nur mir, mir allein. Ihre Drehungen versetzten auch mein Herz in 360 Grad Drehungen. Ich wusste in diesem Augenblick: «Karussell, du hast mein Herz gestohlen, gib es nie wieder her!»

Von diesem Tag an war das Leben nicht das gleiche. Immer zu drehte sich vor meinem geistigen Auge die gleiche Szene ab. Runde um Runde ritt ich auf dem roten Gespann, meine Pfoten berührten den harten Plastik, meine weissen Haare wurden vom Wind zurückgekämmt.

Ich war verliebt und bin es noch immer und sobald ein Karussell in mein eingeschränktes Sichtfeld tritt, atme ich heftig aus, mein Schwänzli beginnt zu wedeln, meine Ohren stehen steif und ich reite auf dem roten Wagen, mit heraushängender Zunge der Jahrmarkt-Schliessung entgegen.

(abl)

 

 

veröffentlicht: 4. September 2016 09:01
aktualisiert: 4. September 2016 09:01

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