«Das sind doch einfach Löli-Buebe»

· Online seit 01.06.2017, 07:54 Uhr
Die Zerstörung eines Kunstobjekts im Widnauer Hotel Metropol sorgt nicht nur in der Gemeinde und auf Facebook für Unverständnis. Der Schöpfer des Werks, der 83-jährige Künstler Ernst Ghenzi, ist verärgert.
Sandro Zulian
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Ernst Ghenzi ist seit den 50er-Jahren Steinbildhauer. Er hat sein Handwerk an der Kunstgewerbeschule Zürich gelernt, seine Gesellenjahre verbrachte er in Basel und Paris. An sein Kunstwerk «Mikro-Makro» erinnert er sich noch knapp: «Das war definitiv etwas verspiegeltes. Das war damals, in dieser Zeit der Würfel, Kugeln und Spiralen üblich», sagt der 83-Jährige. Ghenzi ist einer der wichtigsten Vertreter dieser konkreten Plastik, die Glas, Stein, Metall und Kunststoffe vereint. Seine künstlerischen Arbeiten waren an zahlreichen Ausstellungen auf der ganzen Welt vertreten und eines seiner Werke war über Jahre auch in Widnau, im Hotel Metropol, zu bestaunen. Bis am letzten Sonntag.

Plastik wohl nicht mehr zu retten

Dass zwei unbekannte Männer seine aufwendige Arbeit einfach so zerstören, kann Ernst Ghenzi nicht verstehen. «Das sind doch einfach Löli-Buebe», sagt der Künstler. So etwas sei einfach verrückt. «Die beiden haben keine Ahnung, was das kostet!» Für den pensionierter Plastiker stellt sich nun als erstes die Frage, ob man es noch retten kann. Das glaubt Ghenzi aber nicht. Aber nicht, weil das Kunstobjekt zu starke Schäden aufweist: «Ich bin jetzt doch schon 83 Jahre alt. Ich habe vor gut drei Jahren ziemlich aufgehört mit der Arbeit.» Wenn man älter wird, könne man nicht mehr mit dem gleichen Geist, mit dem gleichen Elan ein Kunstwerk reparieren oder von Grund auf neu erstellen.

«Ich hoffe auf eine Entschuldigung»

Die Zerstörung macht Ghenzi traurig: «Ich finde es sehr schade. Ein Kunstobjekt erstellt man nicht, weil man damit rechnet, es bald wieder reparieren oder neu machen zu müssen.» Das seien alles Stücke, die es nur einmal auf der Welt gibt. Wenn er sich direkt an die beiden Vandalen richten könnte, würde er wohl als erstes eine Entschuldigung von ihnen erwarten. «Wenn es Burschen sind, die noch ein Gewissen haben, dann machen sie das.» Doch grosse Chancen rechnet sich der 83-Jährige nicht aus: «Meistens haben solche Menschen kein Gewissen. Es ist einfach Unkenntnis. Die haben keine Ahnung, was das für eine Arbeit war, und warum man ein solches Kunstobjekt erschaffen hat. Sie haben keine Ahnung, was sie angerichtet haben.»

Ernst Ghenzi-Helbling

Geboren am 8. Januar 1934 in Schmerikon. Er absolvierte seine Steinbildhauerlehre bei Rudolf und Richard Brun in Zürich (1954). An der Kunstgewerbeschule Zürich wurde seine künstlerische Grundausbildung von Lehrern wie Karl Schmid, Otto Teucher, Walter Käch, Franz Fischer und Louis Conne geprägt. Seine Gesellenjahre bestritt er bei August Suter in Basel und Paris, bei Heinrich Neugebauer und in der Bildhauerwerkstätte Beyer, wo er viele Skulpturen für die Klosterkirche Einsiedeln kopierte. 1958 heiratete er Anna Helbling, die aus dem Hotel Schiff in Bollingen stammt und zieht nach Rapperswil. 1963 schloss er seine künstlerische Ausbildung als Steinbildhauer mit dem eidgenössischen Meisterdiplom ab. 1967 baut er in Uznach ein eigenes Bildhaueratelier mit Wohnhaus und zieht mit seiner Familie wieder nach Uznach um. Neben der Grabmalkunst wendet er sich immer mehr dem freien Schaffen zu. Nach anfänglich stark figürlichen Arbeiten entwickelt er sich allmählich zu abstakten Figuren weiter. In den neunziger Jahren wendet er sich der konkreten Plastik zu. Er setzt sich mit Darstellungsmöglichkeiten aus Grundformen wie Würfel, Kugel, Spirale auseinander. Die Mikro-Makro Theorie setzt er in vielen Variationen und Materialien um (Stein, Metall, Schnee, Kunststoff, Glas) und ist einer ihrer wichtigsten Vertreter. Von 1980 - 1992 engagierte er sich als Politiker im Grossen Rat in St. Gallen als FDP-Vertreter. Viele Werke zeugen von seinem Schaffen in der ganzen Schweiz und auch im Ausland. An zahlreichen Ausstellungen auf der ganzen Welt waren seine künstlerischen Arbeiten zu sehen. Bis 2014 arbeitet er noch im kleinen Atelier neben dem Büro seines Sohnes Walter, bis er sich von der aktiven Bildhauerei zurückziehen muss, aufgrund seiner Gesundheit. (Quelle: arteghenzi.ch)

 

veröffentlicht: 1. Juni 2017 07:54
aktualisiert: 1. Juni 2017 07:54

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