Literatur

Kampa Verlag zwischen Ferienlektüre und literarischem Anspruch

· Online seit 23.07.2020, 10:45 Uhr
«Gommer Sommer» und «Engadiner Hochjagd» - zwei Regionalkrimis erscheinen heute beim Kampa Verlag. Beide erfüllen die Erwartungen nicht an den Verlag, der zum Beispiel mit Georges Simenon literarische Ansprüche stellt.
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Für Krimifans war es soetwas wie ein Paukenschlag, als im Herbst 2018 der Kampa Verlag gegründet wurde: Inhaber Daniel Kampa verlegt seither das Werk des Grossmeisters und Maigret-Erfinders Georges Simenon neu; Klassiker wie James M. Cains «Der Postbote klingelt immer zweimal» oder Dashiell Hammetts «Der Malteser Falke» finden sich bei ihm Programm. Die Erwartungen an den Verlag, der zudem die Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk im Programm hat, sind also hoch, im Hinblick auf die Krimis, die beide in der Schweiz spielen und die beide von Schweizer Autoren geschrieben wurden.

Klischee um Klischee

Mit «Gommer Sommer» schlüpft Kaspar Wolfensberger in die Perspektive des Ermittlers Alois Walpen. Dieser lebt eigentlich in Zürich, hat es sich dort aber mit der Polizeileitung verscherzt und macht Ferien im Gommer Städtchen Münster. Dort angekommen, findet er seinen Vermieter erhängt an einem Balken seines Feriendomizils. Die örtlichen Behörden gehen von Selbstmord aus. Doch Walpen, den alle Kauz nennen - der Name ist Programm - findet schnell heraus: Es war Mord. Der eigentlich dispensierte Kommissar aus Zürich ermittelt also auf fremdem Terrain.

Autor Wolfensberger lässt bei diesen Ermittlungen kaum ein Klischee aus: ein Immobilientycoon, an den sich niemand drantraut; Mauscheleien beim Landverkauf; ein geplantes Highland Resort; ein angeheuerter Killer aus Osteuropa; zickige Touristen im Konflikt mit Einheimischen.

Der Krimi ist rasant geschrieben. Und: Weil Kauz immer wieder resümiert, was bisher geschah, muss die Leserin oder der Leser nicht besonders aufmerksam sein, allfällige Verständnislücken werden sofort gefüllt. «Gommer Sommer» eignet sich als Ferienlektüre, die vergnüglich sein mag und keine Ansprüche stellt. «Der Leser hat das gute Recht, sich beim Lesen von Krimis zu erholen und zu unterhalten», sagt Verleger Daniel Kampa gegenüber Keystone-SDA.

Der Verlag kündigt den Krimi mit Lokalkolorit als ersten Fall für Kauz an, den Beginn einer Serie also. Nach dem «Gommer Sommer» soll der «Gommer Winter» im kommenden Januar erscheinen und der «Gommer Herbst» im Herbst 2021, verspricht Kampa.

Eingefleischten Leserinnen und Lesern werden die Titel und der Ermittler Kauz indes bekannt vorkommen. Denn Kampa hat den Autor Wolfensberger vom Zürcher Bilger Verlag übernommen, der die Reihe von 2016 bis 2019 erstmals verlegt hatte. «Rico Bilger und ich kennen uns persönlich, so kam das zustande», sagt Kampa. «Ich habe die Bücher gelesen und sie haben mir gefallen.»

Spiel mit dem Genre Krimi

«Engadiner Hochjagd», der zweite Regionalkrimi, der in dem Zürcher Verlag am heutigen Donnerstag erscheint, ist mit «Ein Mord für Massimo Capaul» untertitelt. Auch dieser Ermittler ist dem einen oder anderen Leser ein Bekannter. Autor Gian Maria Calonder alias Tim Krohn legt bereits dessen dritten Fall vor - und schon Ende Oktober soll unter dem Titel «Engadiner Bescherung» der vierte folgen.

Polizeidebütant Capaul, immer mal wieder als «Zecke im Arsch» bezeichnet, wird in «Engadiner Hochjagd» nach Zernez geschickt, um dort den örtlichen Einsatzkräften bei einem Felssturz zu helfen. Weil er jedoch, im Unterschied zu seinen Kollegen, genauer hinschaut, stösst er auf einen alten Jagdunfall, der neue Ermittlungen erforderlich macht.

Auch «Engadiner Hochjagd» ist leichte Ferienlektüre. Aber im Unterschied zu Wolfensberger zieht Calonder gekonnt eine zweite Ebene ein: Capaul ist ein atypischer Kommissar; wenig heldenhaft, wie er ist, unterläuft er gängige Erwartungshaltungen an die Art, wie ermittelt werden sollte. «Calonder treibt ein Spiel mit dem Genre Krimi», sagt Verleger Kampa. Dieses Spiel verleiht den Capaul-Fällen einen eigenen Reiz.

Wirtschaftliche Überlegungen

«Als Zürcher Verlag wollen wir Schweizer Autoren pflegen», erklärt Daniel Kampa und stellt dazu auch betriebswirtschaftliche und strategische Überlegungen an. Mit diesen Regional-Krimis spricht Kampa neben einem schweizerischen vor allem ein deutsches Publikum an. Calonder-Krimis beispielsweise figurieren nicht nur auf hiesigen, sondern auch auf deutschen Bestseller-Listen.

Und: Vom ersten Capaul-Fall «Engadiner Abgründe» hat Kampa «25'000 Exemplare verkauft». Diese Verkäufe sind bedeutend höher als bei Büchern aus dem literarischen Programm: Lucia Berlin also oder William Boyd oder eben Georges Simenon.

Hinzu kommt, dass es Kampa mit diesem literarischen Programm kaum in Buchhandlungen in Shopping-Centers oder an Bahnhöfen schaffen würde. «Wir wollen aber relevant sein für jede Buchhandlung», sagt der Verleger. Bei 30 bis 40 Büchern, die der Kampa Verlag in jeder Saison neu verlegt, «tragen die Krimis den Verlag zum grossen Teil». Will heissen: Krimis, die sich gut verkaufen, finanzieren auch die literarische Nische. Die Gratwanderung dabei: «Das Standing als Simenon-Verlag wollen wir unbedingt halten.»

veröffentlicht: 23. Juli 2020 10:45
aktualisiert: 23. Juli 2020 10:45
Quelle: sda

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