Martine Franck im Elysée in Lausanne

19.02.2019, 15:13 Uhr
· Online seit 19.02.2019, 15:01 Uhr
Das Musée de l’Elysée in Lausanne zeigt das Werk von Martine Franck (1938-2012), eine der wichtigsten Reportage-Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung dauert vom 20. Februar bis 5. Mai.
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Die Ausstellung kommt frisch von der Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris. Die Stiftung hatte mit der Präsentation im letzten November ihre neuen Räumlichkeiten eröffnet.

Fast 140 Werke umfasst die Lausanner Auswahl, alle in Schwarzweiss, darunter einige, die noch nie öffentlich zu gezeigt worden sind. Sie berücksichtigt mehrheitlich jenen Korpus des Werks von Franck, den die Künstlerin noch selbst ausgewählt hatte.

Die Präsentation gliedert sich, der Chronologie von Francks Leben folgend, in die Themen der verschiedenen Reportagen der Künstlerin, wobei Francks Talent unter anderem darin bestand, sich für die Ränder des Geschehens mindestens so sehr zu interessieren wie für das Zentrum. Beim Begräbnis Charles de Gaulles gelang Franck die Aufnahme einer jungen Frau, die so bleich ist, dass zu befürchten ist, sie müsse selber sterben.

In einer berührenden Reportage über das Alter beschäftigte sich Franck mit dem Leben in französischen Pflegeheimen. In einem Hospiz in Ivry-sur-Seine bei Paris entstand das Bild einer gut gelaunten Greisin, die lachend so tut, als halte sie eine Kamera in Händen und als wäre sie es, die gerade ein Foto schiesst. Ein für Franck sehr aussagekräftiges Bild. Stets betonte sie, sie wolle warte, bis die Fotografierten ihr den richtigen Moment, den richtigen Blick gäben. Sie selber fange ihn nicht ein.

Martine Franck kam 1938 in Antwerpen zur Welt, verbrachte ihre Jugend aber mehrheitlich in England, wo ihr Vater, ein Kunstsammler und früherer Olympionike, Bankier war. In Madrid und Paris studierte Franck, die Englisch als ihre Muttersprache bezeichnete, Kunstgeschichte.

Für eine Reise nach China lieh sie sich die Leika ihres Cousins aus und begann, auf Ratschlag der Theaterregisseurin Ariane Mnouchkine, mit der sie ein Leben lang befreundet war, zu fotografieren. Die Fotografie sei «zufällig» in ihr Leben getreten, sagte Franck später.

Ihre Bilder verkaufte sie an renommierte Zeitschriften in Europa und den USA. 1983 schloss sie sich der Kooperative Magnum an, die Henri Cartier-Bresson, dessen zweite Frau Frau Franck war, 1947 gegründet hatte. Mit ihm zusammen betreute Franck ab 2003, einem Jahr vor Cartier-Bressons Tod, die nach dem Fotografen benannte Stiftung, die das nachgelassene Werk des Ehepaars verwaltet. Martine Franck starb 2012.

Die der Arbeit der Magnum-Fotografen zugrunde liegende Haltung des kühlen Humanismus war auch für Franck entscheidend. Ihre Bilder sind von strenger geometrischer Perfektion und doch durchzogen von einer sanften, manchmal verspielten Empathie. In Francks eigenen Worten: «Um Fotografin zu sein, braucht man ein gutes Auge, Kompositionsgespür, Mitgefühl und die Bereitschaft, sich für eine Sache einzusetzen.»

In jungen und alten Menschen fand Franck eine Heiterkeit, die sich der Tragik der menschlichen Existenz entgegenstellte: Sie fotografierte den alten Maler Balthus, der versonnen seine Katze streichelt, Schüler in einem nepalesischen Kloster, die sich über die Taube auf dem Kopf ihres Lehrers amüsieren, als wolle der Geist von einem Hirn ins andere fliegen, ein junges Paar, das verliebt im Gras liegt, unbekümmert der Tatsache, dass es sich mitten auf einem Friedhof befindet.

«Eigentlich versuche ich nicht, Geschichten zu erzählen», sagte Martine Franck, «sondern Situationen und Leute wirken zu lassen.» Tatsächlich verstand sie es meisterhaft, Porträt und Szene ineinander zu legen, so dass ihre Bilder nicht weder noch, sondern beides in einem sind.

Verfasser: Martin Bieri, ch-intercultur

veröffentlicht: 19. Februar 2019 15:01
aktualisiert: 19. Februar 2019 15:13
Quelle: SDA

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