Coronavirus

Schaffhauser Jazzfestival experimentiert mit neuem Format

21.04.2020, 10:06 Uhr
· Online seit 21.04.2020, 10:05 Uhr
Das Schaffhauser Jazzfestival findet trotz Lockdown statt. Die geplanten Konzerte vom 13. bis 16. Mai sind als Livestreams, im Radio und am Fernsehen zu erleben.
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Die Kammgarnhalle in Schaffhausen steht seit Wochen leer. Mitte Mai aber wird dort - wie seit Monaten geplant - die 31. Ausgabe des Schaffhauser Jazzfestivals stattfinden. «Als Werkschau des aktuellen Schweizer Jazzschaffens haben wir eine Verantwortung gegenüber den Musikern und der Szene», sagt Veranstalter Urs Röllin gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Nach langem Abwägen haben die Verantwortlichen deshalb beschlossen, «ein Experiment zu wagen und das Festival in neuem Format auszutragen».

«Der Grossteil der Musikerinnen und Musiker war sofort dabei», sagt Röllin. «So können wir fast alle Konzerte wie geplant stattfinden lassen.» Konkret soll pro Abend ein Konzert live aus der Kammgarnhalle gestreamt werden. Es folgt ein zweites, vorproduziertes Set. «Damit können wir alle Sicherheitsanforderungen einhalten.» Nach Interviews mit Musikern und Blicken hinter die Kulissen gibt es zum Ausklang allabendlich ein kurzes Set des «Jazz Trio» aus Zürich.

Nur zwei Bands sind zu gross

Yumi Ito hätte zum Festivalauftakt ihre neue CD taufen sollen. Daraus wird nichts. «Das Label hat den Release wegen Corona verschoben», sagt die Zürcher Sängerin, Komponistin und Bandleaderin. «In Schaffhausen kann ich trotzdem spielen», freut sie sich. «Die Konstellation ist aber noch unklar.» Das Yumi Ito Orchestra umfasst elf Musikerinnen und Musiker aus verschiedenen Ländern. «Ich muss zuerst abklären, wer anreisen kann und wie gross mein Orchestra überhaupt sein darf», sagt Ito.

Laut Veranstalter Röllin sind auch andere Bands am eruieren, ob und wie ausländische Kollegen einreisen dürfen. Weniger Probleme geben die Band-Grössen: «Wir haben nur zwei Bands, die gegen die Fünf-Personen-Regel des BAG verstossen.» - neben dem Yumi Ito Orchestra das Sextett Hildegard lernt fliegen.

«Mit dem Tontechniker sind wir sogar zu Siebt», sagt Sänger Andreas Schaerer. «Da wird es bestimmt Auflagen geben, die wir in der grossen Kammgarn-Halle aber einhalten können.» Die Band habe ihre Teilnahme zuerst abwägen müssen. «Wir sind nicht begeistert von digitalen Konzerten. Aber der Wille der Veranstalter, die Schweizer Jazzszene 2020 abzubilden, hat uns angesteckt.»

Unterstützung von allen Seiten

Diese Ansteckung hat auch andere erfasst. «Ich kenne die Innovationsfreude des Festivalteams seit Jahren», sagt Roland Hofer, Kulturbeauftragter des Kantons Schaffhausen. Der Kanton werde seine zugesagte Unterstützung deshalb vollumfänglich bezahlen. «Die Organisatoren trifft keine Schuld. Dass sie ihre Leistungen nicht in vorgesehener Weise erbringen können, hängt mit behördlich angeordneten Massnahmen zusammen.» So denken auch die anderen Festival-Unterstützer. Laut Urs Röllin haben «alle Geldgeber ohne zu zögern zugesagt, dass wir auf sie zählen können.»

Etwas umdisponieren muss Radio SRF 2 Kultur, das seit jeher aus Schaffhausen sendet und alle Konzerte aufzeichnet. «Dieses Jahr zeichnen wir am Mittwoch und Donnerstag auf und senden am Freitag einen Zusammenschnitt», erklärt SRF-Jazzchef Peter Bürli. «Auf diese Weise bieten wir eine Alternative zum gestreamten Programm.» Dass SRF 2 Kultur auch unter erschwerten Umständen aus Schaffhausen sendet, sei keine Frage. «Es geht darum, ein Zeichen zu setzen für die Schweizer Szene», betont Bürli. Die behördlichen Auflagen könne sein Team erfüllen. «Mit einem Techniker im Übertragungswagen und einem Produzenten ist das kein Problem.»

Publikum als Energiequelle fehlt

Dies führt zur Frage, ob ein Festival noch als solches gelten kann, wenn eine Handvoll Musiker eine grosse Halle bespielt, umgeben nur von vereinzelten Technikern. Der Schaffhauser Kulturbeauftragte Hofer wird sich zwar elektronisch ins Festival einklinken, gibt jedoch zu bedenken: «Gerade ein Jazzkonzert lebt immer auch von der Stimmung im Raum.»

Ito sieht ihrem «Geisterkonzert» gelassen entgegen. «Wenn wir im Studio aufnehmen, haben wir auch kein Publikum», sagt sie. «Aber wir wissen, dass wir dennoch ein Publikum erreichen. So wird es auch bei diesem Konzert sein.»

Für Schaerer ist klar: «Ohne Publikum fehlt eine wesentliche Energiequelle.» Diese lasse sich aber intern zumindest anfachen. «Nur schon bei Bandproben haben wir jeweils ein ziemliches Fest.»

Eine weitere Hypothek des Online-Festivals sind die fehlenden Eintrittsgelder. «Der Zugang zum Streaming ist frei», sagt Röllin. «Wir werden aber Möglichkeiten anbieten, wie man das Festival aus Solidarität unterstützen kann.» Auf jeden Fall bezahle das Festival die ausgehandelten Musikergagen, was sowohl Yumi Ito als auch Andreas Schaerer bestätigen.

veröffentlicht: 21. April 2020 10:05
aktualisiert: 21. April 2020 10:06
Quelle: sda

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