Netflix & Co.

Übersetzungsengpass bei Streamingdiensten: Darunter leidet die Qualität

· Online seit 14.11.2021, 17:27 Uhr
Immer mehr Streamingdienste mit Eigenproduktionen, dazu eine riesige Verbreitung in vielen Ländern: Das stellt die Übersetzungsdienste vor Schwierigkeiten – und verursacht Verzögerungen bei vielen Serien und Filmen.
Anzeige

«Squid Game» ist ein unglaublicher Erfolg für Netflix. Über 100 Millionen Menschen haben die Serie aus Südkorea gesehen. Ein grosser Teil davon mit einem der 31 verschiedenen Untertitel oder einer der 13 verschiedenen Synchronfassungen.

Doch damit eine solche Serie überhaupt in so vielen Sprachversionen gestreamt werden kann, braucht es entsprechend Übersetzungen. Und genau das stellt die Streamingplattformen und Filmstudios zunehmend vor Probleme.

Übersetzungsdienste bis nach 2022 ausgebucht

Denn mit der wachsenden Anzahl Streamingdienste – und damit den Eigenproduktionen – kommt es auch zu viel mehr Arbeit für die sogenannten LSPs (language service providers, Sprachdienstleister). Die LSPs bieten die Untertitel, die weiteren Texteinblendungen und auch die Synchronisationen an.

Wie Chris Fetner, der Chef der Entertainment Globalization Association, einem Zusammenschluss dieser LSPs, gegenüber «Rest of World» sagt, kommt es bereits zu einem Rückstau: «Ich höre täglich, wie wieder jemand einen Auftrag ablehnen musste.» Viele der LSPs seien bis nach 2022 ausgebucht.

Dabei werden nicht nur neue Serien und Filme übersetzt. Die Streamingdienste erobern neue Märkte und müssen für diese auch alle alten Produktionen, die sie im Angebot haben, in mehreren Sprachen anbieten.

Weil es immer schneller gehen muss, leide auch die Qualität. Das führte zum Beispiel zu massiver Kritik an der englischen Übersetzung von «Squid Game»: «Wenn du die Serie im englischen Untertitel gesehen hast und kein Koreanisch sprichst, hast du eine andere Show gesehen», schreibt zum Beispiel die zweisprachige Influencerin Yongmi Mayer auf Twitter.

Tiefe Löhne, schlechte Qualität

Das Problem lässt sich nicht einfach aus der Welt schaffen. Es bräuchte unglaublich viele neue qualifizierte Übersetzerinnen und Übersetzer. Doch dafür sind die Löhne schlicht zu tief, der Job ist nicht wirklich attraktiv. Netflix bezahlt gerade mal 13 Dollar pro übersetzter Minute von Koreanisch auf Englisch. Die Übersetzer selbst bekommen nach Abzug für die Dienstleister nur noch einen Bruchteil davon.

Wie David Lee, Chef von Iyuno-SDI, einer der weltgrössten Übersetzungsagenturen, gegenüber «Rest of World» sagt, finde man kaum neue Leute. Nur gerade eine von 50 Bewerbungen seien überhaupt genügend: «Ich glaube nicht, dass wir mit mehr als 10 bis 15 Prozent unserer Mitarbeitenden überhaupt richtig zufrieden sind.» Seine Firma übersetzt laut eigenen Angaben pro Jahr über 600'000 Episoden verschiedener Shows.

Übersetzung nur mit Zwischenschritt

Die schlechte Qualität kommt aber nicht nur durch mangelhafte Übersetzungen des Originals zustande. Viele der nicht-englischen Serien und Filme werden zuerst mal auf Englisch übersetzt. Das ist dann die Grundlage für alle anderen Sprachen. Es ist klar, dass mit jedem Zwischenschritt erneut eine Qualitätseinbusse einhergeht.

Der Grund für diesen Zwischenschritt ist, dass man eher jemanden findet, der von Englisch auf Französisch übersetzen kann als von Koreanisch auf Französisch. Durch solche englische Vorlagen können alle anderen Sprachversionen rascher produziert werden.

Nachbesserungen bei Erfolgsserien

Dass hier ein Qualitätsproblem besteht, ist den Studios durchaus bewusst. Gerade bei Überraschungshits wie «Squid Game» werden deshalb einige Zeit später sorgfältigere Übersetzungsversionen gemacht. So tauchte plötzlich im Abspann von «Squid Game» in einer neuen Fassung der Name von Sharon Choi auf. Choi wurde vergangenes Jahr berühmt durch ihre Übersetzung bei den Oscars für «Parasite»-Regisseur Bong Joon Ho.

veröffentlicht: 14. November 2021 17:27
aktualisiert: 14. November 2021 17:27
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige