«Der Assistent folgt dir sogar aufs WC»

04.03.2018, 10:22 Uhr
· Online seit 04.03.2018, 10:03 Uhr
Mit einer Rolle im Hollywood-Film «Bohemian Rhapsody» geht für den Goldacher Philip Andrew Trümpi ein Traum in Erfüllung. Weshalb das Leben als Schauspieler dennoch hart ist, erzählt er im Interview.
Stephanie Martina
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Interview: Martin Rechsteiner/Ostschweiz am Sonntag

Der 26-jährige Goldacher Philip Andrew Trümpi ist vor vier Jahren seinem Schauspieler-Traum gefolgt. Er brach sein Wirtschaftsstudium und seine Bankkarriere ab und setzte sich ins Flugzeug nach New York. Jetzt ist dem Jungschauspieler, der inzwischen in London lebt, ein Coup gelungen.

Philip Andrew Trümpi, Sie haben eine Rolle in einem Film ergattert, der auch in unseren Kinos laufen wird. Was für ein Film?

Das stimmt, und ich kann es noch kaum fassen. Ich freue mich riesig darüber. Der Film heisst «Bohemian Rhapsody». Und – richtig – es geht um die Band Queen. Es ist ein biografisches Drama der Gruppe, produziert von 20th Century Fox. Vor wenigen Wochen wurden die letzten Szenen gedreht, weltweiter Kino-Start ist am 25. Dezember 2018.

Wen spielen Sie?

Den Produzenten, mit dem Queen zu Beginn der Achtziger zusammengearbeitet haben; den Deutschen Reinhold Mack.

Ist das eine grosse Rolle?

Es ist keine Hauptrolle, über Details kann ich aber nicht sprechen. Beim Dreh hatte ich mehrere Sprechszenen - wie viele es davon in den Film schaffen, erfahre ich erst später, weil der Film beim Schneiden oft noch stark verändert wird.

Und was bezahlt Hollywood einem Jungschauspieler für diesen Einsatz?

Dass das ausgerechnet von einem Schweizer gefragt wird (lacht). Auch hier darf ich laut Vertrag nichts erzählen. Ich bin jetzt aber nicht plötzlich reich, es ist auf jeden Fall weniger Geld, als ich auf der Bank verdienen würde.

Der Trailer zum deutschen Kinofilm «Liebe deines Lebens» mit Philip Andrew Trümpi:

Wie wurden Sie am Hollywood-Set behandelt?

Wie ein Star, und das hat mich sehr überrascht, weil ich ja überhaupt keiner bin. Ein Koch bereitete mir zu, was ich wollte, ein Chauffeur holte mich jeden Tag zu Hause ab. Ich bekam zudem einen Wohnwagen als Rückzugsort. Und einen Assistenten, der mir nicht von der Seite wich.

Also Lieblingsessen, Unterkunft, aber keine Privatsphäre?

Ja, solange gedreht wird am Set, bist du nie allein. Der Assistent folgt dir sogar aufs Klo. Das hat aber einen Grund: Die Crew muss jederzeit wissen wo du bist und du musst schnellstmöglich am Set sein, wenn du gebraucht wirst. Der Assistent schaut, dass du nicht verloren gehst. Die Sets bei Hollywoodproduktionen sind riesig und für den Schauspieler unübersichtlich.

Ganz schön gewöhnungsbedürftig für jemanden aus der Schweizer Provinz, oder?

Das kann man laut sagen! Gewöhnungsbedürftig ist für mich seit vier Jahren so einiges. Aber das stimmt, an einem solchen Filmset war ich noch nie. Alles, was ich bis jetzt gedreht habe, war ein Stück kleiner. Aber auch das waren tolle und genauso wertvolle Erfahrungen.

Erzählen Sie.

Zum Beispiel für den deutschen Kinospielfilm „Die Liebe deines Lebens“ haben wir Schauspieler alle zusammen in einer Finca auf Mallorca gewohnt. Das war echt toll, die Stimmung war super und durch das enge Zusammenleben sind wir zu einer Familie geworden. In dem Film spiele ich meine erste grosse Rolle. Die Premiere ist am 12. April in München.

Das klingt toll. Das Leben als Schauspieler scheint leicht zu sein...

Das täuscht. Das Geschäft ist tückisch, knallhart und kann sehr desillusionierend sein. Ich war mehrere Male kurz davor, alles hinzuschmeissen.

Weshalb?

Ich wusste nie so recht, woran ich bin. Vor allem am Anfang. Du schickst über 100 Bewerbungen für Castings, Antwort kriegst du aber nie. Und falls du dann doch eingeladen wirst, ist nie klar, wonach Regisseur und Produzenten suchen. Zudem treten da 20 andere an, die genau so aussehen wie du. Weshalb sollten die genau mich nehmen, dachte ich mir da jeweils.

So schlimm klingt das nun auch wieder nicht. Es braucht also nur etwas Geduld.

Als ich über Monate hinweg nirgendwo genommen wurde, begann ich schon, mich zu fragen, ob das, was ich hier tue, das Richtige ist. Vor allem, weil auch immer das Geld knapp ist.

Haben Sie nicht gearbeitet nebenher?

Doch, in flexiblen Jobs. Zum Beispiel im Callcenter. Oder im Service. Da arbeitest du Vollzeit für den Mindestlohn von zehn Franken pro Stunde und versuchst zusätzlich, durch die Castings und Schauspiel-Unterricht à jour zu bleiben und irgendwo einen Fuss in die Tür zu kriegen. Zudem ist es in New York und London schwierig, einen Freundeskreis aufzubauen. Manchmal bin ich tagelang im Bett gelegen und habe mich gefragt, ob das wirklich mein Leben sein soll.

Und wie haben Sie es geschafft, durchzuhalten?

Ganz einfach: Ich habe wider alle Vernunft nicht aufgegeben, an meine Träume zu glauben. Die Angst vor der Rückkehr ins Alltagsleben auf der Bank und an die Uni war wohl stärker (lacht). Auf einmal erhielt ich jedenfalls Rollen für zwei kurze TV Auftritte und zwei Filme. Dadurch war es leichter, zu einer grossen Agentur zu wechseln, die mir jetzt hoffentlich zu weiteren Auftritten in Filmen wie «Bohemian Rhapsody» verhelfen kann.

Nun sind die schweren Zeiten für Sie also vorbei?

Was das soziale Umfeld betrifft, schon. Inzwischen kenne ich viele Leute, habe hier in London Freunde gefunden. Puncto Schauspielerei: Das weiss man nie. Manchmal fliegen einem die Rollen zu, manchmal bleiben sie aus. Da ist auch immer Glück im Spiel. Aber klar, dass ich jetzt in Filmen mitgewirkt habe, hilft mir hoffentlich, an weitere Rollen zu kommen.

Und jetzt wünschen Sie sich einen Karriereschub?

Nur so viel, wie nötig. Ich will gute Filme statt Glamour. Die Grösse von Rollen und Filmen ist mir egal, solange sie gut sind.

Das heisst?

Sie sollen eine Kernbotschaft haben, hinter der ich stehen kann. Menschen berühren, motivieren und Hoffnung geben, das will ich durch mein Mitwirken in Filmen erreichen. Da bin ich auch mit kleinen Rollen völlig zufrieden. Wenn ich dann komplett von der Schauspielerei leben könnte, habe ich für mich alles erreicht.

Das klingt bescheiden. Also vergessen Sie auch nicht, dass Sie aus einem Dorf am Bodensee kommen?

Nein. Zwar könnte ich mir zurzeit keinen anderen Ort zum Leben vorstellen als eine Grossstadt wie London. Trotzdem vermisse ich manchmal den Bodensee, die frische Luft und natürlich Freunde und Familie. Zwei, drei Mal pro Jahr kehre ich in die Schweiz zurück. Für mehr reicht die Zeit leider nicht.

Reicht sie aber für die Liebe?

Ja die Zeit gibt’s. Sie ist eine gute Stütze, hält mich am Boden und hat mit dem Filmgeschäft überhaupt nichts am Hut, zum Glück.

Das heisst, es gibt da jemanden?

Dazu möchte ich, zum Schutz der Personen in meinem privaten Umfeld, nichts sagen.

Philip Andrew Trümpi (26) ist als Sohn einer Britin und eines Schweizers in Goldach aufgewachsen. Mithilfe eines Stipendiums der Hans und Wilma Stutz Stiftung aus Herisau absolvierte er eine Schauspielausbildung am Lee Strasberg Theatre and Film Institute in New York. Danach zog er nach London. In «Bohemian Rhapsody» spielt Trümpi an der Seite des Emmy-Gewinners Rami Malek. Der Goldacher hatte bereits mehrere Auftritte in TV- und Netflix-Filmen. Grössere Rollen spielt er im Britischen Kinospielfilm «The Long Way Home» und im Deutschen Film «Die Liebe deines Lebens».

Dies ist ein Artikel der «Ostschweiz am Sonntag». Die ganze Ausgabe lesen Sie hier: www.tagblatt.ch/epaper

veröffentlicht: 4. März 2018 10:03
aktualisiert: 4. März 2018 10:22

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