Theaterpremiere

«Schneewittchen Beauty Queen» im Schauspielhaus Zürich

11.11.2019, 09:23 Uhr
· Online seit 11.11.2019, 09:10 Uhr
Co-Intendant Nicolas Stemann inszeniert am Zürcher Pfauen das Weihnachtsstück «Schneewittchen Beauty Queen». Das Grimm-Märchen verkommt zur klamaukigen Party; auf der Strecke bleibt das Zielpublikum. Premiere war am Sonntagnachmittag.
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«Lügenpresse!», «Lügenpresse!» skandieren die Zwerge mit hochgereckten Fäusten, als Schneewittchen wahrheitsgemäss feststellt, dass sie ja nicht zu siebt, sondern nur zu sechst seien. Lügenpresse: Ob das ein Begriff ist, den jeder Achtjährige, jede Achtjährige im Publikum bestens kennt?

Ab diesem Alter empfiehlt das Schauspielhaus Stemanns Aufbereitung des Märchenstoffs, in die sich auch Ausdrücke und Bedeutungsebenen wie «Dreigenerationenhaus», «Hippie-WG», «Schönheitschirurgie», «vegane Leber» oder «Steiner Schule» versus «staatliche Schulen» eingeschlichen haben. Stemann denkt wohl auch, Kinder fänden es spassig, dass ihre Altersgenossen früher im Besitz von Atombomben gewesen seien, die sie allerdings nicht gezündet hätten, sondern vergammeln liessen.

Kraut und Rüben

Nichts gegen eine innovative Sicht auf alte Stoffe. Stemann aber bringt ein Textfuder auf die Bühne, das nicht in erster Linie neu, sondern vor allem arg überladen ist. Es überfährt das Zielpublikum mit parodistischen Anspielungen, Pointen, Witzchen, die nicht ankommen können. Wenn sich Erwachsene auf die Schenkel klopfen, spricht das nicht für einen Text, der eigentlich für Kinder und Jugendliche gedacht ist.

Zudem mixt Stemann Kraut und Rüben durcheinander. Er lässt es nicht dabei bewenden, die Geschichte Schneewittchens neu zu erzählen, sondern holt auch noch Rotkäppchen und den Wolf auf die Bühne. Zudem einen bedauernswerten Märchenerzähler, der dem Publikum die Wahrheit über die Welt mitteilen möchte. Ein Vertreter dieser bösen Welt hindert ihn laufend daran: ein arroganter Moderator, ein Kapitalist, der den Märchenwald für eine Gewinn bringende Bauspekulation abholzen lassen will.

Ende gut, alles gut: Man rauft sich zusammen und will gemeinsam singend die Welt retten. Selbst die böse Königin stimmt in die Party mit ein. An der Premiere bekundete auch ein Teil des Publikums rhythmisch klatschend seine Begeisterung. Solche gebührt jedenfalls der fantasievollen Bühnengestaltung (Katrin Nottrodt), den Kostümen, vor allem der Zwerge (Marysol del Castillo), der Spielfreude des neunköpfigen Ensembles und auch einigen von Stemanns leider nur wenigen guten Regieanweisungen.

Verfasser: Karl Wüst, ch-intercultur

veröffentlicht: 11. November 2019 09:10
aktualisiert: 11. November 2019 09:23
Quelle: sda

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