Forscher berechnen Auftauchen von Wrack

12.07.2019, 07:43 Uhr
· Online seit 12.07.2019, 07:30 Uhr
Ein Flugzeugwrack taucht Stück für Stück aus dem Gletschereis auf. 1946 war die Maschine der US Air Force auf dem Gauligletscher abgestürzt und wurde Teil eines Langzeit-Experiments. ETH-Forscher haben nun berechnet, wann und wo der Flugzeugrumpf auftauchen wird.
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Dichter Nebel behinderte die Sicht, als der Pilot der amerikanischen Douglas C-53 am 19. November 1946 die Maschine von München nach Marseille flog. Die Reise nahm ein jähes Ende: Es kam zur Bruchlandung auf dem Gauligletscher. Zum Glück nahm das Flugzeug kaum Schaden und alle zwölf Insassen überlebten. Es folgte eine grosse Suchaktion und die erste Rettung im Hochgebirge aus der Luft. Der Vorfall erregte weltweites Aufsehen.

Es war zugleich der Beginn eines Langzeit-Experiments: Auf Drängen des damaligen Präsidenten der Schweizerischen Glaziologischen Kommission, Paul Louis Mercanton, liess man das Wrack grösstenteils an Ort und Stelle. Mercanton argumentierte, die Unglücksmaschine würde nach und nach im Eis versinken, aber irgendwann wieder auftauchen. Und daraus könnte man wertvolle Rückschlüsse auf die Bewegung des Gletschereises ziehen.

Er sollte Recht behalten: Das Wrack verschwand tief im Gletschereis. Erst in jüngerer Vergangenheit gibt der Gauligletscher Teile der Maschine nach und nach frei. Vergangenen Sommer konnten mit einer aufwändigen Bergungsaktion ein Propeller, ein Motorblock sowie Teile der Flügel sichergestellt werden.

Dank Modellrechnungen über das Fliessverhalten des Gletschers können Forschende um Loris Compagno von der ETH Zürich nun abschätzen, wann und wo der Rest der Maschine auftauchen wird. Wie sie im Fachblatt «Frontiers in Earth Sciences» berichten, wird der Rumpf wohl zwischen 2027 und 2035 zu Tage treten. Allerdings einen Kilometer oberhalb der Stelle, an der die anderen Wrackteile geborgen wurden, schrieb die ETH Zürich in einer Mitteilung zur Studie.

Die Modellrechnungen geben auch Einblicke in die damaligen Geschehnisse, insbesondere Anhaltspunkte, wo die bereits geborgenen Wrackteile ins Eis gelangt sein könnten. Dies sei vermutlich dort geschehen, wo die Schweizer Armee bei einer Bergungsaktion 1947 Landepisten für Bergungsflugzeuge eingerichtet hatte, erklärte Studienautor Guillaume Jouvet gemäss der Mitteilung.

Die bisher aufgetauchten Teile waren damals vermutlich schlicht zu schwer für die eher kleinen Rettungsflugzeuge, mit denen man zum ersten Mal überhaupt eine solche Bergungsaktion durchführte, mutmassen die Forscher. «Allein der Motor war eine halbe Tonne schwer», so Compagno. Man habe die Teile vermutlich einfach an der Landepiste liegen lassen.

Das Gletschermodell der Forschenden wurde bereits bei der Analyse eines anderen Unglücksfalls eingesetzt: Als der Aletschglestcher die sterblichen Überreste von drei Brüdern freigab, die in den 1920er Jahren verunglückt waren, konnten die Forschenden damit rekonstruieren, was passiert war. Die drei hatten sich demnach wohl auf dem Rückweg zur Hütte verirrt.

Ob sich ihre Prognose zum Auftauchen des Flugzeugs am Gauligletscher als richtig herausstellen wird, erwarten die Wissenschaftler mit Spannung. Sollte der Rumpf der Maschine früher oder an anderer Stelle auftauchen als berechnet, würde das wichtige Erkenntnisse liefern, um das Gletscherverhalten noch besser zu beschreiben.

veröffentlicht: 12. Juli 2019 07:30
aktualisiert: 12. Juli 2019 07:43
Quelle: SDA

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